Covid-19

Datenschutzexperte Schrems: Verwendung von Big Data im Kampf gegen Virus "legitim"

Schrems - für seine kritische Haltung im Datenschutz bekannt - pflichtet der Meinung anderer Experten bei: Die Nutzung von Daten sei "legitim", um das Virus einzudämmen.
Schrems - für seine kritische Haltung im Datenschutz bekannt - pflichtet der Meinung anderer Experten bei: Die Nutzung von Daten sei "legitim", um das Virus einzudämmen.(c) REUTERS/Heinz-Peter Bader
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Immer mehr Experten befürworten die Idee, Big Data für die Bekämpfung des Coronavirus zu verwenden. Der bekannte Datenschutzaktivist Max Schrems pflichtet nun bei: „Mit Maß und Ziel“ sei die Verwendung legitim.

Die Nutzung von Big Data im Kampf gegen das Coronavirus finden  Datenschutzexperten bisweilen legitim. Nachdem sich am Montag bereits der Datenschutzexperte Viktor Mayer-Schönberger positiv dazu geäußert hat, kann nun auch der für seine kritische Haltung bekannte Wiener Datenschutzaktivist Max Schrems der Idee, Personendaten zu verwenden, um das Virus einzudämmen, etwas abgewinnen - allerdings nur „mit Maß und Ziel“.

Im Kampf gegen Epidemien siehe die DSGVO demnach eine Datenverarbeitung sogar „ausdrücklich vor“, erklärte Schrems dazu in einer Aussendung am Montag. „Die Frage ist daher nicht ob, sondern wie.“ Entsprechende Ausnahmebestimmungen seien schon jetzt in der DSGVO vorhanden (Artikel 6 und 9). Dort nämlich heißt es, dass eine Datenverarbeitung zulässig ist, wenn „lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person“ geschützt werden müssen sowie zur Bekämpfung „grenzüberschreitender Gesundheitsgefahre.

Aus Sicht des Aktivisten gebe es aber viel Raum zwischen „überbordender Totalüberwachung“ und der Sammlung und Auswertung von ganz bestimmten wichtigen Informationen. Die Eingriffe müssten jedenfalls auf ein Mindestmaß reduziert werden. Freiwilligkeit spiele ebenfalls eine wichtige Rolle: Programme mit nur lokal gespeicherten Daten hält Schrems (wie die App des Roten Kreuzes „Stopp Corona“ [premium]) hält Schrems für legitim: „Das entspricht dann eher dem eigenverantwortlichen Mitnehmen eines Lawinen-Piepsers als einer zentralen Totalüberwachung.“

Experte Mayer-Schönberger: „Leben retter wichtiger als Datenschutz“ 

Zuvor hatte bereits Datenschutzexperte Viktor Mayer-Schönberger das Tracking als zulässig befunden. „Die Datenschutzgrundverordnung, die in Österreich und in der gesamten Europäischen Union gilt, sagt ganz klar: Gesundheit geht vor, Leben retten ist wichtiger als Datenschutz hochhalten“, sagte dieser im Ö1-Frühjournal am Montag.

Der österreichische Rechtswissenschafter und Datenschutzexperte am Oxford Internet Institute erklärte, dass die Frage „ganz sachlich und differenziert“ betrachtet werden müsse: Es handle sich um eine Ausnahmesituation. „Jetzt muss der Datenschutz ein wenig zurücktreten.“ Wichtig sei, dass nach dem Ende der Coronakrise alle Daten wieder gelöscht werden. Das seien "Maßnahmen im Katastrophenfall: man verwendet sie nur im Katastrophenfall und nicht, wenn der Katastrophenfall wieder vorbei ist."

Sich mit der App „ausweisen"

Zahlreiche Länder setzen auf neue Technologien im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Die chinesischen Technologie-Riesen Alibaba und Tencent etwa haben Handy-Anwendungen entwickelt, die auf Basis von Bewegungs- und Interaktionsprofilen das Risiko einer Infizierung mit dem Virus bewerten und farblich darstellen. In mehreren Städten müssen sich Menschen mittlerweile mit dieser App nach dem Ampelprinzip "ausweisen", um etwa die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen zu dürfen. Auch Taiwan, Südkorea, Singapur oder Hongkong kontrollieren die Bewegungsprofile der Handybenutzer und ob sich Menschen in Quarantäne an die Auflagen halten. In Israel ist es dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet erlaubt, alle Bewegungsdaten sämtliche Handynutzer auszuwerten.

Grüne: Keine „individuelle Überwachung“ angedacht

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die Nutzung von Big Data angedeutet. Die Opposition reagierte alarmiert. SPÖ, FPÖ und NEOS fürchten Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte in Interviews versichert, dass keine "individuelle Überwachung" von Bürgern angedacht sei.

Alarmiert durch die Ankündigungen des Bundeskanzlers fordert  auch Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Parlament, Jörg Leichtfried (SPÖ), eine Ausschusssitzung unter Beisitzung von Verfassungsrechtlern, Datenschutzbehörden und anderen Datenschutzexperten.

Keine überschießende Eingriffe in Grundrechte

"Eine Krisensituation ist eine schwierige Situation für eine Bundesregierung, die aber nicht dafür verwendet werden darf, überschießende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte zu legitimieren. Vor allem nicht ohne der Expertise der Mitglieder des Verfassungsausschusses, Verfassungsrechtlern und Datenschutzbehörden", sagte Leichtfried gegenüber der APA. Als Ausschuss-Vorsitzender werde er diesbezüglich Gespräche mit allen Parlamentsfraktionen aufnehmen.

"Die Sorge um die Gesundheit der Bürger darf unabdingbare Grund- und Freiheitsrechte sowie Rechtsstaatlichkeit nicht außer Kraft setzen", warnte Leichtfried und verwies auf "die autoritäre und antidemokratische Wende in Ungarn". Leichtfried sieht Justizministerin Alma Zadic (Grüne) gefordert. "Datenschutz liegt im Justizministerium, die Datenschutzbehörde ebenso", so Leichtfried. "Zadic muss die parteiübergreifenden Bedenken der Parlamentarier ernst nehmen".

(APA)

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