Verschärfung

Türkis-Grün: "Wir werden auf das Tragen von Masken setzen"

Innenminister Nehammer, Kanzler Kurz (beide ÖVP), Vizekanzler Kogler und Gesundheitsminister Anschober (beide Grüne)
Innenminister Nehammer, Kanzler Kurz (beide ÖVP), Vizekanzler Kogler und Gesundheitsminister Anschober (beide Grüne) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Regierung verschärft die Maßnahmen: Supermärkte sollen ab Mittwoch einen Mund-Nasen-Schutz ausgeben. 2000 Bürger werden per Zufallsprinzip untersucht, um das Ausmaß von Covid-19 zu erfassen.

„Wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen.“ So lautet der Tenor der türkis-grünen Regierungsspitze. Gemeint ist die Eindämmung des neuartigen Coronavirus, das - nicht nur - Österreich Ausgangsbeschränkungen sowie die Schließung etwa von Schulen, Geschäften und Grenzen gebracht hat. Bis man diese Maßnahmen wieder lockern könne, werde es vielmehr noch eine Weile dauern: „Die Wahrheit ist: Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Und wie grausam dieser Sturm sein kann, merkt man, wenn man in unser Nachbarland Italien schaut“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Montag.

Man habe nun zwei Wochen des „Notbetriebes“ hinter sich, dennoch stehe man nach wie vor „am Beginn eines Marathons“. Er sei sich dessen bewusst, dass viele gerne zur Normalität zurückkehren würden, aber: „Es ist nicht unsere Aufgabe zu sagen, was man gerne hören würde, sondern es ist unsere Aufgabe, ehrlich zu Ihnen zu sein“, warnte der Kanzler vor den „vielen Verharmlosern - auch unter den Experten“. Die Wahrheit laute: Man müsse die Maßnahmen abermals verschärfen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und zu verhindern, dass noch mehr Menschen an Covid-19 sterben, als ohnehin daran sterben werden.

Eine neue Maßnahme laute daher: „Wir werden auf das Tragen von Masken setzen.“ Das sei zwar nicht „Teil unserer Kultur“ und daher „eine große Umstellung“, aber notwendig, meinte Kurz: Ab Mittwoch soll an den Eingängen von Supermärkten ein Mund-Nasen-Schutz ausgegeben werden. Nur wer diesen trage, dürfe das Geschäft betreten. Auf lange Sicht sollen diese - es handelt sich um keine medizinischen Schutzmasken - überall getragen werden. Denn: „Durch das Tragen der Maske kann man andere Menschen schützen, indem man sie nicht so leicht anniesen kann“, aber: „Das ist kein Ersatz für das Abstandhalten, es ist eine zusätzliche verschärfte Maßnahme."

Neue Form der Kriminalität, mehr als 10.000 Anzeigen

„Ihr werdet zu Lebensrettern“, ergänzte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Kanzleramt und warnte zugleich vor zu viel Leichtsinn: „Es geht nicht darum, ob ich mich gesund fühle oder jemand anderer“, sondern darum, die Verbreitung zu stoppen. Die wenigsten glauben, dass sie an Covid-19 sterben werden. Das sei aber eine Krux, denn „dann werden wir sehr viel mehr Tote haben". Man sehe auf zahlreichen Fotos vom Wochenende, dass die Sicherheitsabstände nicht eingehalten werden, dass dürfe nicht sein, mahnte Kogler.

Und erhielt Unterstützung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP): „Eine der wichtigsten Maßnahmen ist das Abstandhalten - mindestens ein Meter“, bei Zuwiderhandlung werde man angezeigt. Mehr als 10.000 polizeiliche Anzeigen habe man bereits verzeichnet, allein am vergangenen Wochenende seien es mehr als 2000 gewesen, zählte Nehammer auf. Jeder verstehe, dass man gerne zusammenkomme, aber „die Geburtstagsfeiern sollten nach Beendigung der Coronakrise stattfinden“. Damit verwies er auf den Fall einer Feier, wo sich 40 Personen in einer Garage getroffen hätten. Das sei nicht nur gefährlich, sondern es handele sich geradezu um eine neue Form der Kriminalität: Ab 2000 Infizierten pro Tag gebe es nicht mehr ausreichend Intensivbetten. Daher: „Seien Sie wachsam.“ 

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Es sei zu befürchten, ergänzte Kurz, dass schon in rund zwei Wochen Engpässe an den Spitälern auftreten könnten. Mitte April könnte man in einer Situation sein, wo es zu einer Überforderung der Intensivmedizin komme. Die Statistik weist aktuell 9125 offiziell Infizierte aus, 108 Personen sind in Zusammenhang mit dem Erreger Sars-CoV-2 verstorben, 636 wieder genesen. 999 Menschen befinden sich derzeit im Krankenhaus, 193 von ihnen auf einer Intensivstation.

Anschober: Gefährdete freistellen oder ins Homeoffice

Weitere Zahlen lieferte Gesundheitsminister Rudolf Anschober: „Es geht in einem besorgniserregenden Tempo voran.“ Ende Dezember habe man mit der Begrifflichkeit noch nichts anfangen können, heute habe man 723.000 Erkrankte weltweit. Diese Woche dürfte global die Millionengrenze übersprungen werden. Auf Österreich heruntergebrochen bedeute das: Vor drei Wochen sei die Verdoppelungsrate noch bei 2,5 Tagen gewesen, nun bei 5,9. Das Ziel müssten 14 Tage sein. Um dies zu erreichen, sollen durch das Coronavirus besonders gefährdete Personen - Ältere sowie Menschen mit schweren Vorerkrankungen - nicht mehr in die Arbeit müssen. Sie sollen nur noch im Homeoffice tätig sein, andernfalls werden sie verpflichtend freigestellt. Diese Maßnahmen werde den Arbeitgebern abgegolten.

Neben der Maskenpflicht in Supermärkten soll es Bodenmarkierungen in Supermärkten geben, damit die Sicherheitsabstände eingehalten werden. Auch soll kontrolliert werden, dass nicht zu viele Personen gleichzeitig in den Geschäften sind. Zudem werde die touristische Nutzung von Hotels eingestellt. Bei den Tests arbeite die Regierung nach wie vor daran, „dass es einen schrittweisen Ausbau gibt“. Jedoch habe man „da durchaus eine angespannte Situation“ bei der Beschaffung. Denn: Auch andere Länder seien an den Tests interessiert.

Zufallsstichprobe unter 2000 Menschen

Am kommenden Montag werden die vier Regierungsmitglieder abermals an die Öffentlichkeit treten, kündigte Kurz abschließend an und dann „werden wir sicher einen genaueren Ausblick geben können“, so der Kanzler. Denn: „Wir testen dieser Tage 2000 Menschen" nach einem Zufallsprinzip. Ende der Woche werden die Ergebnisse vorliegen und man werde ungefähr wissen, „wie viel Prozent unserer Bevölkerung sind ungefähr infiziert und wie viel Prozent haben diese Erkrankung schon gehabt, ohne es zu wissen.“ Auch gibt es Stichprobenkontrollen bei medizinischem Personal, bei Polizisten, in Supermärkten, um zu verhindern, dass diese zu „Superspreadern" werden.

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