Isolation

Häusliche Gewalt bisher nicht angestiegen

Eine von vielen Seiten befürchtete Zunahme der häuslichen Gewalt wurde seit Beginn der Maßnahmen nicht registriert. Frauenhäuser und die Frauen-Helpline verzeichnen jedoch vermehrt telefonische Anfragen und Beratungen.

Nicht nur NGOs, sondern auch die Frauenministerin hatte vor Beginn der Inflationsmaßnahmen vor einem Anstieg häuslicher Gewalt gewarnt. Zwei Wochen gelten die Maßnahmen bereits - und bisher dürften sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. So hat die Polizei in keinem der Bundesländer eine Zunahme verzeichnet.

Es gibt "keine signifikante Änderung", sagte der Wiener Polizeisprecher Daniel Fürst. Ähnliches berichten Polizeisprecher aus den Bundesländern. Gewaltdelikte auf der Straße - wie Raub und Körperverletzungen - sowie Einbrüche sind dagegen rückläufig.

Dafür ist eine Verlagerung auf andere Deliktformen möglich. Die Cybercrime-Anzeigen könnten nach oben gehen, sagte der Sprecher. Aber auch hierbei sei "noch kein deutlicher Anstieg" verzeichnet worden.

Einsätze wegen des Covid-19-Maßnahmengesetzes hat die Wiener Polizei derzeit verstärkt zu leisten - am Wochenende gab es österreichweit mehr als 2000 Anzeigen. Dabei handle es sich um "Personen, die uneinsichtig sind", sagte Fürst. Die Missetäter würden etwa nicht verstehen wollen, um was es bei Regelungen wie dem einen Meter Abstand geht. Fallweise seien die Beamten auch mit falschen Behauptungen konfrontiert, dass jemand infiziert sei.

Mehr Anrufe bei Frauen-Helpline

Bei der Frauen-Helpline 0800-222-555 gab es aus ganz Österreich "in der vergangenen Woche 50 Prozent mehr Anrufe", sagte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). "Die Hälfte davon hängt mit Gewalt zusammen", erläuterte sie. Die Beratungsgespräche würden zunehmen. Die andere Hälfte des Zuwachses habe mit Verunsicherung zu tun, wie mit der aktuellen Situation umzugehen sei.

Die Fragen der Betroffenen drehen sich laut Rösslhumer etwa darum, ob derzeit noch ein Platz im Frauenhaus frei ist, oder: "Wie kann ich mich vorbereiten auf eine Flucht, wenn der Partner ständig da ist?" Bei getrennt lebenden Eltern übe der Partner oft Macht auf die Frau aus und setze dabei das Kind als Druckmittel ein. Männer, die nun arbeitslos geworden oder in Kurzarbeit sind, versuchten auch Unterhaltszahlungen zu reduzieren, erläuterte Rösslhumer.

Die Beratungsgespräche in den Frauenhäusern in Österreich hätten teilweise zugenommen. "Die Herausforderungen sind recht groß auf verschiedenen Ebenen", sagte die AÖF-Geschäftsführerin. Die Personalressourcen in den Häusern seien knapper geworden und man wolle auch keine Quarantäne in den Einrichtungen riskieren.

Die Situation "kann zu mehr Gewalt führen", es müsse aber auch nicht sein. Anspannung und Ängste bei Frauen würden jedenfalls steigen. Mit Fortdauer der Beschränkungen erwartet Rösselhumer "schon mehr, wenn man sich die Zahlen der Arbeitslosigkeit anschaut". Damit steige laut Studien auch die häusliche Gewalt.

Je länger die Maßnahmen, desto größer die Gefahr

In der Steiermark etwa sei es sogar ruhiger als sonst, Michaela Gosch, Geschäftsführerin des Vereins Frauenhäuser Steiermark. Das sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen, meinte Gosch. "Es ist auch für uns aus gewalttheoretischer Sicht spannend zu sehen, wie sich das entwickelt."

Die Geschäftsführerin hatte mehrere Theorien, warum es sich derzeit so verhält: Gewichtiger Faktor könnten die Unsicherheiten im Äußeren sein. Wenn Frauen in Not nicht wissen, was sie außerhalb der Partnerschaft erwartet oder ob sie etwa die Mindestsicherung normal beantragen können, dürften sie eher auch in schwierigen Situationen verharren. Das könnte später, wenn wieder Normalität einkehrt, dann aber zu mehr Trennungen führen.

Gosch brachte aber auch ins Spiel, dass es deswegen in den Partnerschaften ruhiger sein könnte, weil Stress von außen - etwa durch den Job - wegfällt. Zudem seien zwei Wochen noch nicht eine sehr lange Zeit. Es könne durchaus sein, dass Übergriffe in Partnerschaften mit der Dauer der Maßnahmen zunehmen. "Dort, wo es jetzt schon Gewalt gibt, wird diese wohl aufbrechen, je länger die Maßnahmen andauern", sagte Gosch.

Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen bei:

(APA)

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