Literatur

„Literarischer Extremist“: Kleist-Preis für Setz

Der österreichische Autor erhält 20.000 Euro. Er hatte bisher viel Pech bei Preisvergaben.

Wenn es derzeit einen deutschsprachigen Schriftsteller gibt, dessen Bedeutung sich so gar nicht in literarischen Auszeichnungen widerspiegelt, ist es der gebürtige Grazer Clemens Setz. Neun Jahre ist es her, dass er für seinen Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse erhielt. Acht Jahre, dass sein Roman „Indigo“ sich auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises fand (und diesen nicht gewann). Nur auf die Longlist kam 2015 sein viel gepriesener Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“. Zuletzt verfehlte Setz 2019 mit seinem jüngsten Erzählband „Der Trost runder Dinge“ knapp den Österreichischen Buchpreis, er ging an Norbert Gstrein. Mit dem sollte der Ich-Erzähler einer seiner Geschichten in Kanada zusammentreffen, aber das Flugzeug fliegt nicht ab, der Erzähler kehrt nach Hause zurück, das mit rätselhaften Fremden gefüllt ist. Es kommt in Setz' Geschichten so unentwegt nicht das, was man erwarten würde, dass es einen bald befreit von fast allen Erwartungen – außer der großartigen Literatur, stimmige Sprache für das niemals Stimmige.

2018 ging der Preis an Ransmayr

So gesehen passt es irgendwie zu seiner Literatur, dass es bei diesem Autor selten glatt geht, wenn es um Preise geht. Doch diesmal ist es einmal anders: Clemens Setz, der einst durch seine Begeisterung für die Dichtung Ernst Jandls zum Schreiben fand, erhält zwei Jahre nach dem Österreicher Christoph Ransmayr mit dem Kleist-Preis einen der wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreise. Setz sei „ein literarischer Extremist im besten Sinn, ein Erzähler und Dramatiker, der seine Leser mit anarchischer Fantasie und maliziöser Fröhlichkeit stets aufs Neue verblüfft“, begründet die Jury ihre Entscheidung. Sein neugieriger Blick auf die Welt verrücke die Maßstäbe der Normalität. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert, die Verleihung könnte trotz Corona stattfinden: Sie ist für 22. November in Berlin geplant.

Anders als das sommerliche Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt, das, wie der ORF verkündet hat, wegen Corona heuer nur (wenn auch immerhin) als Digitalausgabe stattfindet. 2019 lieferte Setz dort eine der besten Eröffnungsreden seit Langem: Er zog Parallelen zwischen dem Wrestling, dessen Profis auch außerhalb des Sports nie aus ihrer Rolle fallen dürfen, Politik und Literatur. Den geschlossenen Systemen stellte er die Freiheit von Fiktionen entgegen, „die, selbst wenn man sie gnadenlos ernst nimmt, den Geschöpfen ihre Mündigkeit belassen, auch wenn diese noch so sehr und so beharrlich nach dem Gegenteil verlangen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.