Corona Briefing Tag 16

Die Lage bleibt ernst: Maskiert im Supermarkt, Maiaufmarsch als TV-Show

(c) imago images(Yegor Aleyev)
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Über eine neue Normalität mit Mundschutz und Rendi-Wagner als Chefin der SPÖ.

Guten Morgen! Maskenpflicht beim Einkaufen also. Die Regierung hat bei ihrem gestrigen Auftritt entgegen medial geschürter Hoffnungen keine absehbare Rückkehr zur Normalität verkündet, sondern neue Maßnahmen vorgestellt, unter anderem wird ab Mittwoch in Supermärkten schrittweise das Tragen von Gesichtsmasken Pflicht werden. Hat man keine eigene, bekommt man eine schlichte am Eingang. Das ist eine völlig neue Vorgehensweise in einer Zeit vieler völlig neuer Vorgehensweisen. Sebastian Kurz formulierte dies wie folgt: „Ich bin mir vollkommen bewusst, dass Masken für unsere Kultur etwas Fremdes sind.“ Gesichtsmasken sind zwar für die meisten Kulturen - vom Karneval in Venedig - einmal abgesehen fremd, aber in Österreich sind sie besonders fremd. Seit Jahr und Tag wurde in Österreich – auch in dieser Zeitung – von Experten darauf hingewiesen, dass die handelsüblichen Masken nicht vor Ansteckung schützen, also de facto sinnlos seien. Auch deswegen wurde über Monate lang Maria Rauch-Kallat vor Jahren genüsslich dafür kritisiert, dass sie um Unsummen Masken gegen die Vogelgrippe gekauft hatte, die schon bald wieder abgelaufen waren und nun wieder reaktiviert wurden.

Baltaci Köksal, der seit Wochen unsere CoV-Berichterstattung anführt, schreibt zur österreichischen Masken-Wende im Leitartikel: „Tatsächlich bieten diese Masken zwar keinerlei Schutz für die Träger, weil die Viren nicht nur an den Rändern, sondern auch durch den Stoff in Mund und Nase gelangen. Aber da sie beim Niesen und Husten die Verbreitung der Tröpfchen etwas behindern, können sie das Ansteckungsrisiko anderer Personen in unmittelbarer Nähe deutlich reduzieren. Was auch der Grund dafür ist, dass wir uns an sie werden gewöhnen müssen. Denn der flächendeckende Einsatz von Masken in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz ist der erste sanfte Schritt in eine „neue Normalität“, die die Bundesregierung schon vergangene Woche mehr oder weniger subtil angekündigt hat. Gemeint ist eine Periode, die sich wahrscheinlich über rund ein Jahr ziehen wird und in der die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten nur langsam steigt, damit die Kapazitäten in den Intensivstationen der Spitäler nicht gesprengt werden.“

Soll heißen: Die Masken sind die Vorboten der langsamen Wiederinbetriebnahme des Handels und des öffentlichen Lebens.

Zu einer weiteren Maßnahme passt ein Bonmot: Was macht Kurz, wenn er nicht weiterweiß? Er gibt eine Umfrage in Auftrag. Die wird in enger Kooperation mit der Statistik Austria, Krisenstab und Forschungsminister Heinz Faßmann unter 2000 repräsentativ ausgewählten und dafür getesteten Österreichern durchgeführt. Dann weiß man mehr über Dunkelziffer und „echtem“ Bevölkerungsanteil an Infizierten. Solche Testungen sollen daneben auch bei Gesundheitspersonal und Polizei durchgeführt werden.

Besondere Maßnahmen wird es bei Risikogruppen geben. Jene Personen, die durch eine Vorerkrankung besonders gefährdet sind, sollen aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werden – also im Home-Office oder verpflichtend frei gestellt bleiben. Ältere sollen auch noch deutlicher aufgefordert werden, zu Hause zu bleiben.

Neuigkeiten gibt es aus der SPÖ: Viel spricht dafür, dass Tropenmedizinerin Pamela Rendi-Wagner wohl breite Unterstützung ihrer Basis bekommen hat und als Parteichefin einzementiert wird. Bis das verifiziert oder falsifiziert ist, wurde bekannt, dass der 1. Mai-Aufmarsch, Verzeihung: die 1-Mai-Feierlichkeiten abgesagt werden.  Aber nicht ganz: Wiens SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak kündigte am Montag eine rund 90-minütige „TV-Show" als Ersatz an. Diese soll auf dem Stadtsender W24 bzw. via Stream übertragen werden. Man sei gerade mit Regisseuren und Dramaturgen im Gespräch, was den Ablauf der Show betrifft. Maschek oder Sterman & Grissemann würden sich anbieten, wir haben ohnehin sehr wenig zu lachen. Aber so Novak: Im TV-Show-Konzept sollen jedenfalls auch die traditionellen Reden der SPÖ-Spitze ihren Platz finden. Krisen-Stadtrat Peter Hacker hat aber vermutlich leider keine Zeit dafür.

In Österreich erwacht übrigens nicht nur der Frühling, sondern auch das Fußballtrainer-, also Teamchef-Verhaltenssyndrom: Fast jeder weiß viel besser, was in der aktuellen Krise zu tun, entscheiden und zu veranlassen wäre als Experten oder Politik. Grundvoraussetzung für dieses – betont männliche – Fähigkeit ist wie immer ein guter Platz auf der Zuschauertribüne. Mit gutem Blick aufs Spielfeld. Wir Journalisten sind auch gut in dieser Disziplin… 

Anders dieser Tag mancher Arzt, der sich fast entschuldigt, keine Experte, sondern nur „behandelnder Arzt“ zu sein - wie der ruhige Infektiologe Christoph Wenisch vom Kaiser-Franz-Josef-Spital, in dem schon zahlreiche Corona-Patienten behandelt werden. Im Wien Heute-Interview meinte er nur, dass jede Maßnahme wie die Maskenpflicht, die das Ansteckungsrisiko verringere, zu begrüßen sei. Und dass eine Pandemie normalerweise ein, zwei Jahre dauere und in mehreren Wellen erfolge. . .

Mehrere Leser dankten für die kritischen Formulierungen in der „Runde der CR“ auf ORF 3 und die Passage von Historiker Yuval Noah Harari zum vermeintlich starken Staat in der Krise. Daher noch eine weitere  aus der NZZ über seine Heimat Israel, einer entwickelten Demokratie: „Mein Heimatland Israel rief den Notstand während seines Unabhängigkeitskriegs von 1948 aus. Er rechtfertigte eine ganze Reihe von temporären Maßnahmen, von der Pressezensur und der Landkonfiskation bis hin zu speziellen Prozeduren beim Puddingmachen (kein Witz). Der Unabhängigkeitskrieg ist schon lange gewonnen, der Notstand aber nie aufgehoben worden. Und Israel hat viele der „temporären“ Maßnahmen von 1948 nicht zurückgenommen (immerhin gnädiger Weise 2011 das Dekret zum Notstands-Pudding). (…) In den letzten Jahren tobte eine gewaltige Schlacht um unsere Privatsphäre. Die Corona Virus-Krise könnte ihr Wendepunkt sein. Denn Menschen, die zwischen Freiheit und Gesundheit wählen müssen, entscheiden sich gewöhnlich für die Gesundheit. Die Leute zwischen Freiheit und Gesundheit wählen zu lassen, ist die Wurzel des Problems. Denn es ist eine falsche Wahl. Wir können und sollten sowohl Privatheit als auch Gesundheit genießen. Wir können unsere Gesundheit schützen und die Epidemie stoppen, indem wir den Bürgern nicht ein totalitäres Überwachungsregime aufzwingen, sondern sie ermächtigen.“ Das nur so zwischendurch.

Bis morgen, das löse ich meine FPÖ-Recherche-Schulden bei Ihnen ein, vielleicht hebt im Laufe des heutigen Tages jemand ab…

Einen schönen Dienstag.

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