Tourismus: Betonwüsten auf EU-Kosten

(c) AP (Arturo Rodriguez)
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Millionen Euro versickern in betrügerischen Tourismusprojekten. Jüngster Fall: Auf Lanzarote wurden Hotels ohne Baugenehmigung und mit Hilfe von EU-Subventionen gebaut. Regionalkommissar Hahn ist machtlos.

Riesige Hotelbunker, mitten im Naturschutzgebiet auf Lanzarote; ein künstlicher Sandstrand am Comer See – nach diversen Schmiergeldzahlungen um einiges teurer als geplant; ein Urlaub-am-Bauernhof-Projekt in Ligurien, das keinen Urlaub ermöglicht, weil es keinen Bauernhof, sondern nur Gestrüpp und Büsche zu besuchen gibt; ein Grill-Pavillon in Niedersachsen, der Touristen anlocken soll, wo es nie welche gab: die Liste der betrügerischen, unrentablen oder umweltzerstörerischen Tourismusprojekte, die aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung subventioniert werden, ließe sich schier endlos fortsetzen.

Die Brüsseler Geldtöpfe, die zum Ressort des österreichischen Kommissars Johannes Hahn gehören, kommen seit Jahren regelmäßig in die negativen Schlagzeilen.

Bauskandal auf Lanzarote

So auch jetzt. Just zu Beginn der Feriensaison wurde ein Fall bekannt, der die Betrugsanfälligkeit des EU-Regionalförderwesens besonders krass vor Augen führt. Wie die „Financial Times“ unter Mithilfe des Londoner „Bureau of Investigative Journalism“ am Dienstag berichtete, wurden auf Lanzarote zwei Dutzend teils weitläufige Hotelanlagen gebaut – und zwar mitten im Unesco-Biosphären-Schutzgebiet, ohne Baugenehmigung und mit Hilfe von knapp 24 Millionen Euro an Subventionen aus dem EU-Regionalfonds.

Das geschah in der Planungsperiode 2000 bis 2006. Der ehemalige Wissenschaftsminister und ÖVP-Wien-Chef ist dafür also nicht verantwortlich.

Allerdings bleibt an ihm jetzt die Verantwortung für die Aufklärung dieser unkorrekten Geldvergabe hängen. „Wir arbeiten eng mit den spanischen Behörden zusammen“, sagte eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage der „Presse“. Rund 19 Millionen Euro des Förderbetrags habe die Kommission bereits von Spanien zurückgefordert. Die restlichen rund vier Millionen Euro werde sich die Brüsseler Behörde dadurch von dem iberischen Behörden zurückholen, dass sie diesen Betrag gegen künftige Forderungen aus dem Regionalfonds verrechnet.

Allerdings muss sich Hahn – so wie jeder Regionalkommissar vor ihm – für den Missbrauch verantworten, der mit dem Geld der Steuerzahler veranstaltet wird.

Bloß: Die eigentlichen Verantwortlichen für den Subventions-Schlendrian sitzen nicht in Brüssel. Sondern in den Hauptstädten und Regionen der Mitgliedstaaten. „Es gibt ein geteiltes Management der Mittel mit den Mitgliedstaaten“, sagte die Kommissionssprecherin. „Die Kommission ist nicht an der Auswahl der Projekte beteiligt. Das tun die Mitgliedstaaten. Und darum sind sie auch dafür verantwortlich, die Verwendung der Mittel zu kontrollieren.“

Zwei Millionen Projekte

Die Kommission ist nur bei Projekten ab 50 Millionen Euro direkt am Management beteiligt. Anders wäre das nicht möglich. Denn allein im Zeitraum 2000 und 2006, aus dem alle eingangs erwähnten Beispiele stammen, hat die EU rund zwei Millionen Projekte subventioniert. „Wenn das in Brüssel gemanagt würde, würde eine riesige Verwaltungsbürokratie entstehen“, gab die Sprecherin zu bedenken. Von einem öffentlichen Anprangern jener Staaten, die besonders schleißig mit den EU-Mitteln umgehen, hält man in der Kommission allerdings nichts. Denn jede diesbezügliche Änderung der Vorschriften bedarf der Zustimmung der Mitgliedstaaten – und die haben wenig Interesse daran, für Betonwüsten und Grill-Pavillons gerügt zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2010)

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