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Ungarns Notstandsgesetz: Vizekanzler Kogler übt "schärfste" Kritik

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Man brauche das Parlament in der Coronakrise nicht ausschalten, sagt Werner Kogler. Ungarns Außenminister kontert: Die Grünen in Österreich seien „nie gewählt worden“.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erwartet ein Vorgehen der EU gegen Ungarn nach der faktischen Selbstausschaltung des Parlaments in der Coronkakrise. "Wir können das nur schärfstens kritisieren", sagte Kogler am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Das am Montag im ungarischen Parlament verabschiedete Gesetz ermöglicht Orban das Regieren per Dekret für unbestimmte Zeit aufgrund der vorliegenden Notlage.

"Wir stimmen überein, dass wir in Österreich einen völlig anderen Weg gehen. Man braucht das Parlament nicht ausschalten", sagte der Grünen-Chef. In Ungarn bedeute dies angesichts der Zwei-Drittel-Mehrheit der rechtskonservativen Partei von Premier Viktor Orban eine "Selbstausschaltung". "Natürlich gibt es da Kritik unsererseits.“ Kurz wollte die international viel kritisierten Maßnahmen nicht kommentieren. "Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die Zeit, mich mit Ungarn auseinanderzusetzen", sagte er am Montagabend in einer einer ZiB-Spezial.

Die Reaktion auf die Kritik aus Österreich aus Budapest kam prompt: Die Kritiker handelten aus "Frustration und Neid", schrieb Außenminister Peter Szijjarto - unter anderem mit Blick auf die "nie gewählten österreichischen Grünen". "Sie können von einer gesellschaftlichen Unterstützung, wie sie die ungarische Regierung mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit bei den letzten drei Wahlen genießt, nur träumen", schrieb Szijjarto. 

Amnesty: „Situation wird schlimmer und schlimmer“

Orbans Fidesz-Partei ist wie die ÖVP Teil der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP). Ihre Mitgliedschaft ist wegen des Vorwurfs der Verstöße gegen die Grundwerte der Europäischen Union seit März 2019 allerdings auf Eis gelegt. Gegen Ungarn läuft nämlich bereits ein Rechtsstaatsverfahren der EU, das in letzter Konsequenz zum Entzug der Stimmrechte des Landes führen könnte. Der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas, wertete den ungarischen Beschluss als "schockierend und völlig inakzeptabel" sowie "auf das Schärfste zu kritisieren".

Der Direktor von Amnesty International Ungarn, David Vig, kritisierte die Maßnahme als "ernst". Die Regierung von Orban versuche, "kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen" und "Menschenrechte zu untergraben". "Ich dachte vorher, dass das nicht passieren kann. (...) Mit jedem neuen Gesetz dachte ich, dass es nicht mehr schlimmer werden kann. Die Situation wird aber immer schlimmer und schlimmer."

Die Grüne Europaabgeordnete Monika Vana forderte die EU-Kommission indes auf, ein "Corona-Demokratie-Monitoring" zu etablieren, um die Gefährlichkeit einzelstaatlicher Maßnahmen für das demokratische System mit einem Ampelsystem zu bewerten. Damit soll verhindert werden, "dass andere Regierungen im Windschatten Ungarns und international weniger beachtet ähnliche antidemokratische Maßnahmen einführen", so Vana am Dienstag in einer Aussendung. "Zudem kann dieses Monitoring als punktgenaues Werkzeug genutzt werden, um die Rücknahme der Notstandsgesetze nach Ablauf der Corona-Krise zu begleiten und die Abschaffung aller demokratiefeindlichen Maßnahmen zu überwachen."

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