Gastbeitrag

Lebensmittel: Herkunftsangaben müssen ab sofort ehrlicher sein

"Italienisches Sugo" muss Tomaten aus Italien enthalten
"Italienisches Sugo" muss Tomaten aus Italien enthalten(c) imago images/Jochen Tack (imago stock&people via www.imago-images.de)
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Am 1. April tritt eine EU-Verordnung in Kraft, wonach Herkunftsangaben die Hauptzutat und nicht den letzten Verarbeitungsschritt betreffen müssen.

Die Herkunft eines Lebensmittels ist für den Verbraucher heutzutage ein wesentliches Kaufkriterium. Doch wo beispielsweise „aus Österreich“ draufsteht, muss nicht zwangsläufig ausschließlich Österreichisches enthalten sein. Denn wird ein Produkt in mehreren Ländern hergestellt, gilt gemäß EU-Recht jenes Land als Ursprungsland, in dem der letzte wesentliche Verarbeitungsschritt erfolgt ist. Auf dem Etikett eines in Italien hergestellten Sugo darf daher die italienische Flagge prangern, während die darin verarbeiteten Tomaten in Wirklichkeit aus China stammen.  

Ab 1. April ist Derartiges jedoch auf der Verpackung auszuweisen. Denn jetzt schreibt eine EU-Verordnung vor: Wird die Herkunft eines Lebensmittels unmittelbar durch Text oder mittelbar durch bildliche Elemente angegeben, stammt dessen Hauptzutat jedoch aus einem anderen Gebiet, ist verpflichtend deren Ursprung anzugeben. Das mit der italienischen Flagge verzierte Etikett des Sugo aus dem Beispiel muss daher künftig (sinngemäß) den Hinweis enthalten „mit Tomaten aus China“ oder „Tomaten stammen nicht aus Italien“, und zwar nicht bloß im Kleingedruckten auf der Rückseite, sondern – wie die betreffende EU-Verordnung vorschreibt – im selben Sichtfeld wie die Herkunftsangabe. Von der Herkunftskennzeichnungspflicht ausgenommen sind lediglich geschützte geografische Angaben, wie zum Beispiel Tiroler Speck, oder Marken, wenn letztere eine Ursprungsangabe darstellen.

Was ist eine Hauptzutat?

Die EU definiert die Primärzutat als jene Zutat, die über 50 % des Lebensmittels ausmacht oder die die Verbraucher üblicherweise mit seiner Bezeichnung assoziieren. Im Falle eines Erdbeerjoghurts, welches zwölf Prozent an Erdbeeren enthält, sind diese, genauso wie die Milch, die Hauptzutaten. Trifft hingegen keines der beiden Definitionsmerkmale zu, führt dies zum Ergebnis, dass das Lebensmittel keine Hauptzutat hat. Das könnte etwa auf den derzeit überall erhältlichen Schokohasen zutreffen. Schließlich gibt es wohl keine Zutat, welche die Verbraucher intuitiv mit Schokolade assoziieren. Auch der Anteil einer bestimmten Zutat an der Schokolade wird in seltenen Fällen über 50 % liegen. Anders sieht es jedoch bei Haselnuss-, Vollmilch- oder dunkler Schokolade mit hohem Kakaoanteil aus, bei welchen die Auslobung einer bestimmten Zutat in der Bezeichnung oder die bloße Abbildung derselben zur entsprechenden Assoziation mit dem Lebensmittel führt.

Vorrangiges Ziel des europäischen Lebensmittelinformationsrechts ist es, den Verbrauchern die Möglichkeit zu bieten, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine fundierte Wahl zu treffen. Vielleicht entscheidet sich der Verbraucher gegen den Kauf eines als österreichisch angepriesenen Fruchtjoghurts, wenn er weiß, die darin verarbeiteten Früchte stammen aus Spanien, Griechenland oder Marokko. Werden wir zu Ostern allerdings auch auf Schokohasen verzichten, sobald wir daran erinnert werden, dass der verarbeitete Kakao zunächst einen langen, kontinentübergreifenden Weg vom Anbaugebiet zurücklegte, ehe er sein Ziel, die letzte Verarbeitungsstätte in Europa, erreichte? Eine Alternative zur Schweizer Schokolade, etwa mit in der gebirgigen Schweiz angebautem Kakao, wird der Konsument immerhin vergebens suchen. Mit anderen Worten bringt die Herkunftsangabe zwar für den Kauf eines Lebensmittels, dessen Hauptzutat unterschiedlichen Ursprungs sein kann, zweifelsohne einen Mehrwert, kann aber in anderen Fällen zu merkwürdigen Angaben wie „Schweizer Schokolade mit Kakao aus einem anderen Land“ führen.

Frischfleisch, Obst und Gemüse bereits strenger geregelt

Verpflichtende Herkunftsangaben auf europäischer Ebene sind nichts Neues, sie werden schon derzeit für bestimmte Lebensmittelkategorien, wie verpacktes Frischfleisch oder frisches Obst und Gemüse, vorgeschrieben. Davon abgesehen ist die Herkunft auch dann zu deklarieren, sollte anderenfalls der Konsument ohne diese Information getäuscht werden. Die österreichische Bundesregierung griff im aktuellen Regierungsprogramm ebenso das Thema einer nationalen verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung und in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021 auf.

Umgehung durch Verzicht auf Nennung möglich

Die verpflichtende Primärzutatenkennzeichnung ist in Wirklichkeit bereits seit 2011 im europäischen Lebensmittelinformationsrecht verankert, tritt allerdings erst mit einiger Verspätung in Kraft. Tatsächlich hat sich jedoch im vergangenen Jahrzehnt auf Ebene der Transparenz bereits Einiges getan. „Wo kommt’s her?“, will der verständige Verbraucher mittlerweile genau wissen. Ob die in die Jahre gekommene Regelung diesen Wissensdurst noch zu stillen vermag, ist zu bezweifeln. Schließlich kann sie leicht umgangen werden, indem auf Herkunftsangaben verzichtet wird. Sie trägt daher allenfalls zum – ohnehin bereits starken – Schutz vor Irreführung in jenen Fällen bei, in denen sich die Lebensmittelunternehmer auf eine bestimmte Herkunft des Lebensmittels berufen, diese aber auf wesentliche Zutaten nicht zutrifft.

Die verpflichtende Primärzutatenkennzeichnung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, verirrt sich allerdings da und dort auf ihrem Weg zur Lebensmitteltransparenz. Bis diese erreicht ist, darf sich der kritische Konsument in der Zwischenzeit immerhin in seiner bisherigen Vermutung bestätigt fühlen: Wo „aus Österreich“ draufsteht, muss nicht zwangsläufig ausschließlich Österreichisches enthalten sein.

Zu den Autoren

Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Hütthaler-Brandauer, Mag.a Dany Boyadjiyska ist Rechtsanwaltsanwärterin ebendort.  

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