Im Rückspiegel

Kein Aprilscherz: Als in Madrid ein Tor umfiel

Action Images via Reuters
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Wenn ein Tor umfällt, just vor einem Champions-League-Hit: Am 1. April 1998 erlebten die TV-Kommentatoren Marcel Reif und Günther Jauch eine Sternstunde. "Nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan!"

Nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan wie heute vor 22 Jahren: Am 1. April 1998 fiel vor der Champions-League-Partie zwischen Spaniens Fußball-Rekordmeister Real Madrid und Borussia Dortmund ein Tor um. Erst mit 78-minütiger Verspätung wurde das Halbfinal-Hinspiel im Estadio Santiago Bernabeu angepfiffen. Am Ende siegte Real 2:0 und gewann in der Folge auch erstmals die Champions League.

Der Torfall von Madrid: Er passierte zwei Minuten vor Anpfiff und mündete in der Sternstunde der deutschen TV-Moderatoren Marcel Reif und Günther Jauch. 95.000 Fans fieberten im Bernabeu dem Anpfiff zum Duell zwischen dem seit zwölf Jahren im Europacup titellosen Gastgeber und dem Titelverteidiger Borussia Dortmund, bei dem ÖFB-Legionär Wolfgang Feiersinger wegen einer Sperre fehlte, entgegen. Hinter dem Tor von Madrids Goalie Bodo Illgner heizten die "Ultra Sur", die hartgesottenen Real-Fans, die Stimmung an. Einige kletterten am Absperrgitter hoch und zerrten so brachial an diesem, dass das mit Drahtseilen daran befestigte Tor umstürzte. Danach dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis das Gehäuse wieder stand und die Partie angepfiffen werden konnte.

"Ein Tor fiel um - kein Scherz, es war Real" titelte die Schweizer Zeitung "Blick" am nächsten Tag. Die TV-Kommentatoren waren in der außergewöhnlichen Situation speziell gefordert, ganz besonders jene bei RTL. Bis zum Anpfiff, der eigentlich um 20.45 Uhr hätte erfolgen soll, jedoch dann erst um 22.03 Uhr ertönte, waren diese ohne Werbe-Unterbrechung live auf Sendung. Während Real-Offizielle und Stadion-Handwerker also verzweifelt versuchten, das Tor zu reparieren, und ein Fan sich auf den Weg machte, mit seinem Lastwagen ein Ersatztor auf dem mehrere Kilometer entfernten Trainingsgelände abzuholen, mussten Marcel Reif und der zur Verstärkung kurzfristig zugeschaltete Studio-Moderator Günther Jauch improvisieren.

Die beiden begegneten der Situation im Stile einer Late-Night-Show mit Humor, und das gelang ihnen vorzüglich. Sätze wie "Nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan" (Reif) oder "Für alle die, die nicht rechtzeitig eingeschaltet haben: Das erste Tor ist schon gefallen" brachten den beiden eine Auszeichnung mit dem Bayerischen Fernsehpreis und eine Nominierung für den renommierten Grimme-Preis ein.

Auch im Vor-Social-Media-Zeitalter verhalf die Sternstunde der beiden RTL-Moderatoren dem Sender zu einem Quotenhit. Rund 12,76 Millionen Zuschauer schalteten während des Stillstands ein, das eigentliche Spiel sahen dann nur noch etwa 6 Millionen. Weitere Kommentare Reifs waren: "Ich dachte, wir könnten jetzt bisschen Fußball gucken, Halbfinale der Champions League. Bis jetzt erleben wir hier nur einen Heimwerkerkurs." Und: "Das ist wie bei den Pfadfindern hier. Jetzt wird der Hering eingeschlagen. Wie im Zeltlager." Jauch erkannte auch die Gewinner der Situation: "Wer auf der Seite die Werbebanden gebucht hat, übrigens: Glückwunsch!"

Weniger Gefallen hatten die Verantwortlichen von Dortmund. "Von einem Verein wie Real Madrid und einem solchen Stadion darf man erwarten, dass ein Reserve-Tor zur Verfügung steht", enervierte sich der damalige BVB-Clubpräsident Gerd Niebaum. Den eingelegten Protest zogen die Dortmunder später zurück. Torschützen für Real waren übrigens Fernando Morientes (25.) und Christian Karembeu (67.). Daran erinnern sich aber im Gegensatz zum legendären "Torfall" die wenigsten.

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