Es sei Mode in Europa, Ungarn zu kritisieren. "Wir sind europäisch, aber kritisch", sagt die ungarische Justizministerin.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn fordert in einem Interview vom Mittwoch die Verbannung Ungarns aus den Ministerräten der EU. "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass innerhalb der EU eine diktatorische Regierung existiert", sagte Asselborn der Zeitung "Die Welt". Er fordert, Ungarn in der EU unter "eine strikte politische Quarantäne" zu setzen.
Die ungarische Regierung dürfe am Tisch der europäischen Institutionen keinen Platz mehr haben. Vor allem dürfe eine Regierung, die unbefristet von keinem Parlament mehr kontrolliert werde, "nicht mitentscheiden bei Sachentscheidungen in den einzelnen Ministerräten, die am Ende alle Menschen in Europa betreffen".
Doch die ungarische Justizministerin Judit Varga verteidigt das Notstandsgesetz und die De-Facto-Ausschaltung des Parlaments in Budapest. Das ungarische Parlament habe mehr Kompetenzen als normalerweise in solchen Situationen und könne die Maßnahmen beenden, so Varga. Es sei "Mode in Europa, Ungarn zu kritisieren", sagte die ungarische Ministerin am Dienstagabend in der "ZIB2".
Das sei der "liberale Mainstream, der die Medien beherrscht", betonte sie. Alle sollten das Zwei-Seiten-Gesetz lesen und nicht den Irreführungen der Medien glauben. Ungarn habe in wichtigen Fragen konservative Ansichten, "wir sind europäisch, aber kritisch". Eine Unterdrückung der Pressefreiheit in Ungarn stellte Varga in Abrede. Online würden regierungskritische Stimmen fast 80 Prozent der Meldungen ausmachen, außerdem falle jede Form von Meinung, auch Kritik an der Regierung, nicht in die Zuständigkeit des Notstandsgesetzes.
Panikmache seit langem strafbar
Panikmache sei aber seit langem ein Delikt im ungarischen Strafrecht. Es müsse eine absichtlich falsche Aussage vor großem Publikum gemacht werden, die die Maßnahmen der Regierung beeinträchtigten, um in den Zuständigkeitsbereich des Notstandsgesetzes zu fallen, das für diesen Fall Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vorsieht, so Varga. Das Notstandsgesetz werde solange gelten wie nötig, die Parlamentswahlen 2022 würden aber sicher stattfinden, denn das sei so im Grundgesetz geregelt.
Das Parlament in Budapest hatte am Montag ein Gesetz gebilligt, das es Regierungschef Orban erlaubt, weitgehend unbegrenzt per Dekret zu regieren: Er kann nun den am 11. März wegen der Pandemie verhängten Notstand ohne die Zustimmung des Parlaments beliebig verlängern. Kritiker sehen darin eine Instrumentalisierung der Corona-Krise, um Orbans Machtstellung auszubauen.
Schon jetzt läuft wegen der mutmaßlichen Einschränkung von Bürger- und Grundrechten ein Grundwerteverfahren gegen Ungarn, das theoretisch zum Entzug der Stimmrechte in der Europäischen Union führen kann. Es kommt jedoch kaum voran. Kritiker werfen Orban seit Jahren den Abbau des Rechtsstaats sowie Einschränkungen der Pressefreiheit vor.
(APA)