Wohnen

Welche Corona-Regeln im Wohnhaus einzuhalten sind

(c) Marin Goleminov, Presse
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Darf man in Wohnanlagen jetzt noch den Aufzug, Fitnessraum oder Pool benützen, dürfen Kinder auf den Spielplatz? Und wie viel Lärm muss man aushalten, wenn alle daheim sind?

Wahrscheinlich noch nie zuvor haben sich so viele Menschen permanent in ihren vier Wänden aufgehalten wie jetzt. In Mehrfamilienhäusern, vor allem solchen mit suboptimaler Schalldämmung, kann das zum Stresstest für die Hausgemeinschaft werden.

Und es wirft Fragen auf, was die Benützung von Gemeinschaftseinrichtungen angeht: Darf man noch mit dem Aufzug fahren? Dürfen die Kinder auf den hauseigenen Spielplatz oder in den Gemeinschaftsgarten? Und muss der Fitnessraum im Keller, der noch nie so gefragt war wie jetzt, womöglich wegen der Ansteckungsgefahr gesperrt werden?

Anfragen wegen des Geräuschpegels in Häusern gebe es bereits, bestätigt der auf Immobilienrecht spezialisierte Anwalt Herbert Rainer im Gespräch mit der „Presse“ – etwa wenn Musiker den ganzen Tag lang immer dieselbe Tonfolge üben und die anderen Hausbewohner damit zur Verzweiflung treiben.

Gegen diese Art der Beschallung können Nachbarn laut Rainer eher vorgehen als gegen Kinderlärm. Denn Maßgabe dafür, wie viel Lärm man dulden muss, ist die Ortsüblichkeit, „und Kinderlärm ist ortsüblich“. Bei Berufsmusikern sei es dagegen zu erwarten, dass sie außerhalb der Wohnung einen Raum zum Proben haben (auch wenn dieser vielleicht derzeit nicht zugänglich ist).

Besondere Rücksichtnahme

Aber auch bei Kinderlärm hat die Duldungspflicht Grenzen: Es sei Sache der Eltern, „darauf zu schauen, dass das nicht eskaliert“, sagt Rainer. Generell sei davon auszugehen, dass jetzt zwar erhöhte Anforderungen an die Zumutbarkeit bestehen – dass man also insgesamt mehr Lärm dulden muss als sonst –, dass aber zugleich erwartet werden kann, dass jeder besonders rücksichtsvoll ist. Rainer verweist dazu auf die Judikatur zu besonders „hellhörigen“ Gebäuden: Auch dort werde von den Bewohnern mehr Rücksichtnahme verlangt als anderswo.

Was die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen betrifft, sind laut Rainer dieselben Abstandsregeln einzuhalten wie im öffentlichen Raum. Der Anwalt appelliert auch hier an die Eigenverantwortung: Jeder sei gut beraten, z. B. nur allein bzw. mit den eigenen Haushaltsangehörigen mit dem Lift zu fahren. Und beim Luftschnappen im Gemeinschaftsgarten sei ebenfalls darauf zu achten, dass sich die Hausbewohner abwechseln und Abstand halten.

Wobei es in manchen Wohnanlagen auch Gemeinschaftseinrichtungen gibt, die aus Hygienegründen gesperrt werden sollten – vor allem Sauna oder Schwimmbad. „Und auch beim Kinderspielplatz gibt es hygienische Themen“, auch da spreche vieles für eine Sperre, meint Rainer.

„Bei Gemeinschaftsanlagen, deren Betrieb bereits unter gewöhnlichen Voraussetzungen hygienetechnisch herausfordernd ist, wie insbesondere Schwimmbädern, Saunas und – mit gewissen Einschränkungen – auch Fitnessräumen, wird es im Normalfall wohl nicht nur gerechtfertigt, sondern durchaus angezeigt sein, deren Betrieb für die Dauer der Covid-19-Schutzmaßnahmen einzustellen“, schreibt auch Immobilienrechtsexperte Christoph Kothbauer in seinem aktuellen Newsletter.

Bei Spiel- und Sportplätzen oder Grünflächen sieht er das anders: Hier gehe eine allfällige Ansteckungsgefahr nicht von den Anlagen selbst aus, sondern höchstens vom Nichteinhalten des Mindestabstands durch die Nutzer.

Der Aufzug bleibt benützbar

Selbst Spiel- und Freizeiträume im Haus seien bei Einhaltung der Abstandsregeln nach wie vor benützbar. „Sofern aber zumindest im Einzelfall ein solcher liberaler, die Eigenverantwortung betonender Zugang Unbehagen bereiten sollte, ist es gewiss auch vertretbar, die Anlagen aus Präventionsgründen zu schließen“, schreibt Kothbauer. Ein Thema sei das insbesondere dann, „wenn es in den vergangenen Tagen und Wochen bereits zu einer im Hinblick auf die Covid-19-Prävention unzulässigen Verwendung der Anlagen gekommen sein sollte, Stichwort: Coronaparty im Gemeinschaftsraum“. Bei der Abwägung sei sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt.

„Grundsätzlich jedenfalls aufrechtzuerhalten“ ist laut Kothbauer der Betrieb von Aufzügen und Waschküchen: „Es ist nicht einzusehen, warum mit einer Sperre dieser Anlagen den Gebäudenutzern in der ohnehin schon angespannten Situation der Alltag noch zusätzlich erschwert werden soll.“

Recht auf Mietzinsminderung?

Auf einem anderen Blatt steht, ob durch die Sperre von Anlagen ein Anspruch auf Mietzinsminderung entstehen kann. Kothbauer bejaht das, meint aber, das Ausmaß werde sich im Rahmen halten, wenn bloß Freizeiteinrichtungen vorübergehend unbenützbar sind. Rainer betont, dass es dabei auch auf den Inhalt des Mietvertrags ankommt. „Welches Ausmaß der Minderung da angemessen ist, wird spannend“, sagt er.

Für Wohnungseigentümer gibt es durch solche Sperren keine Kostenreduktion, es sei denn, die Stilllegung würde sich in geringeren Betriebskosten niederschlagen. Bei Wohneigentum stellt sich eher eine andere Frage – ob die Hausverwaltung eine Sperre ohne Eigentümerbeschluss verfügen kann. Ja, sagt Rainer: „Bei höchstem Ansteckungsrisiko ist Gefahr im Verzug, genauso wie wenn die Fassade herunterbricht.“ Die Hausverwaltung dürfe da nicht nur handeln, sie müsse es sogar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2020)

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