Sozialwirtschaft

37-Stunden-Woche für Pflegeberufe

Für die privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe gibt es einen neuen Kollektivvertrag. Heuer und 2021 steigen die Gehälter, ab 2022 wird die Arbeitszeit reduziert.

Mitten in der Coronakrise haben es die Sozialpartner in der Sozialwirtschaft überraschend geschafft, sich auf einen neuen Kollektivvertrag zu einigen. Dieser betrifft die Arbeitskräfte im privaten Pflegebereich, aber etwa auch Hortpädagoginnen, Tagesmütter sowie Jugend- und Behindertenbetreuer.
Ausgehandelt wurde ein Drei-Jahres-Paket: Im Jahr 2020 gibt es für die rund 125.000 Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich ein Gehaltsplus von 2,7 Prozent, 2021 folgt eine Erhöhung um 0,6 Prozent über der Inflationsrate im Zeitraum November 2019 bis Oktober 2020. Ab dem 1. Jänner 2022 wird die Arbeitszeit von 38 auf 37 Wochenstunden reduziert.

500 Euro „Coronaprämie“

Für Arbeitskräfte, die von März bis Juni mit Kundenkontakt im Einsatz waren, werde es darüber hinaus 500 Euro „Coronaprämie“ geben, teilte die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), in der die Arbeitgeber organisiert sind, via Aussendung mit. Man wolle sich dafür einsetzen, dass diese Zulage steuerfrei ist, analog zu den Prämien, die im Lebensmittelhandel bezahlt werden. Noch unklar war zuletzt, für wen genau die Prämie gelten soll.  „Es waren lange und harte Verhandlungen, aber die Arbeit hat sich gelohnt. Das Ergebnis ist wirtschaftlich machbar und ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, zeigt sich Walter Marschitz, der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, zufrieden.

Streiks wurden abgesagt

Die Gewerkschaft ist dieses Mal mit nur einer Forderung in die Lohnrunde gegangen: Eine Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Wochenstunden. Verständlich also, dass sie die eine Arbeitsstunde weniger nur bedingt glücklich macht. „Wir sind natürlich nicht zu 100 Prozent zufrieden“, sagt Eva Scherz, Chefverhandlerin der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), zur „Presse“. Ihre großen Streiks und Demos musste die Gewerkschaft krisenbedingt absagen, auch die achte Verhandlungsrunde konnte nicht mehr persönlich stattfinden. Das letzte Angebot übermittelten die Arbeitgeber schriftlich.

„Uns war es jetzt wichtig, für Kontinuität und Sicherheit unter den Beschäftigten zu sorgen“, sagt Scherz. Denn in der Krise seien andere Sorgen in den Vordergrund gerückt. „Unsere Branche ist jetzt systemerhaltend.“ Teile des Arbeitszeitgesetzes sind außer Kraft gesetzt, die Beschäftigten dürfen jetzt mehr arbeiten, und das wird auch von ihnen erwartet. Es geht jetzt auch um Dinge wie Schutzkleidung und Desinfektionsmittel. „Es ist eine sehr herausfordernde Zeit“, sagt Scherz. Sie stellt aber auch klar: „Unsere Forderung nach der 35-Stunden-Woche bleibt aufrecht.“

Positive Reaktionen

Der Abschluss gilt für drei Jahre, erst dann wird wieder verhandelt. Es sollen aber in der Zwischenzeit weiter Gespräche mit den Arbeitgebern geführt werden, um die Branche attraktiver zu gestalten, sagt Scherz. Seitens des SWÖ hieß es dazu, man wolle die Verhandlungspause bis Herbst 2022 für eine „grundlegende Überarbeitung des Kollektivvertrags“ nützen.

Die Reaktionen auf den überraschenden Abschluss waren durchwegs positiv. Die Kollektivvertrags-Einigung „ist ein erster richtiger Schritt“ und müsse richtungsweisend für andere Branchen sein, sagte AK-Niederösterreich-Präsident Markus Wieser.
Erfreut zeigte sich auch die Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, Tanja Wehsely: Die erzielte Einigung sei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Arbeitssituation in den betroffenen Berufen. Diesem „positiven Start“ müssten nun weitere Verbesserungen bei Dotierung und Arbeitsqualität folgen, sagte Wehsely. In Sachen „Coronaprämie“ hofft man bei der Volkshilfe, dass die Bundesregierung diese „ordentlich unterstützt“, also auf die 500 Euro noch etwas drauflegt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.