Die Klasnic-Kommission widerspricht dem Orden: Die Anzeige wegen Missbrauchs sei schon vor Wochen angekündigt worden. Es gehe außerdem um mehrere Opfer. Die Schulbrüder bleiben bei ihrer Darstellung.
Die erste Anzeige der kirchlichen Opferschutzanwaltschaft gegen die Schulbrüder ist auf Wunsch mehrerer Opfer erfolgt. Das sagte die Vorsitzende Waltraud Klasnic am Mittwoch im ORF-Radio. Sie widerspricht damit der Version, dass es in der Sachverhaltsdarstellung nur um die angebliche mehrfache Vergewaltigung eines Elfjährigen geht.
Auch in einem anderen Punkt widerspricht die Kommission den beschuldigten Schulbrüdern: Diese hatten am Dienstag kritisiert, dass sie von der Anzeige über die Medien erfahren hätten. Demgegenüber hieß es in einer Aussendung der Klasnic-Kommission: "Verantwortliche des Ordens waren schon seit Wochen über Vorwürfe und eine von der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft beabsichtigte Sachverhaltsdarstellung informiert." Der Provinzial der Schulbrüder bekräftigt jedoch am Abend, bisw zur Veröffentlichung der Vorwürfe nichts konkretes gewusst zu haben.
Unabhängig davon hielt die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte Opferschutzanwaltschaft unter Waltraud Klasnic am Mittwoch ihre sechste Sitzung ab. Dabei wurden weitere Soforthilfen und Therapien beschlossen. Ziel bleibe es weiterhin, dass im Herbst die ersten Entschädigungen vorgenommen werden können. Im Gespräch sei man auch mit Vertretern einer Opferplattform und dem Rechtsanwalt Werner Schostal.
"Klasnic-Kommission"
Kardinal Christoph Schönborn hat Ende März des heurigen Jahres die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) als "unabhängige Opferbeauftragte" eingesetzt. Klasnic hat gemäß Schönborns Vorhaben in der Folge eine unabhängige, aber von der Kirche finanzierte Kommission zusammenstellt.
Behörden prüfen Anzahl der Opfer
Während Klasnic von mehreren Opfern gesprochen hat, will die Staatsanwaltschaft noch die genaue Zahl der Betroffenen überprüfen. Die Sachverhaltsdarstellung sei "sehr vage" formuliert, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die zuständige Referentin werde nun überprüfen, welche Opfer und welchen Zeitrahmen die Anzeige betrifft. Außerdem wird sie wohl Akten zu dem bekanntesten Fall aus dem Archiv holen: Manuel Nowatschek soll 1993 als Elfjähriger in Wien-Strebersdorf mehrmals vergewaltigt worden sein. Ein Prozess in den 1990er Jahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt. Die neue Anzeige war vergangenen Freitag bei der Staatsanwaltschaft eingelangt.
Schulbrüder bleiben bei ihrer Version
Der Provinzial der Schulbrüder, Johann Gassner, bleibt bei seiner Darstellung, erst aus den Medien über die Vorwürfe informiert worden zu sein. Er betonte am Mittwochabend in der "ZiB 2" des ORF, man sei nur allgemein mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs konfrontiert worden, habe aber nichts Näheres erfahren.
Laut Gassner wurden er und sein beschuldigter Mitbruder vom Generalvikar der Erzdiözese Wien, Franz Schuster, vorgeladen. Schuster habe dem mittlerweile vom Dienst freigestellten Kollegen ein vorgefertigtes Blatt vorgelegt, "wo er seine Selbstanzeige unterschreiben sollte". Dies habe der Mann aber nicht getan, betonte Gassner, und versicherte, weiterhin von dessen Unschuld überzeugt zu sein. Er könne sich "aus meiner Zeit" im Orden an keine Fehler erinnern.
Partik-Pable glaubt an finanzielle Motive
Zweifel an den Vorwürfen der Mutter des damals elfjährigen Schülers meldet auch die frühere FP-Politikerin Helene Partik-Pable an, die damals als Untersuchungsrichterin mit der Causa betraut war und das Verfahren einstellte. Sie habe den Fall geprüft, etliche Zeugen einvernommen, aber die Mutter habe Behauptungen aufgestellt, "die einfach nicht der Wahrheit entsprochen haben", so die mittlerweile pensionierte Richterin.
Und: "Ich glaube, dass viele Leute versuchen, sich da eine gewisse Entschädigung in Geldform zu verschaffen und glauben, dass sie jetzt entschädigt werden für verschiedene Dinge, egal wie sie passiert sind."
Schulbrüder
Die Geschichte des römisch-katholischen Ordens der Schulbrüder geht auf das Jahr 1857 zurück, als acht Brüder aus Deutschland nach Wien kamen und ihnen die Leitung des k.k. Waisenhauses in der Boltzmanngasse im neunten Wiener Gemeindebezirk übertragen wurde. Von hier aus verbreitete sich die Kongregation in der gesamten Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Mehr ...
(APA)