Die EU-Skepsis in Italien erreicht Rekordhöhen: Der Grund sind die späte EU-Hilfe und die Ablehnung von Corona-Bonds.
Rom/Wien. Am Rathaus des piemontesischen Ortes Limone weht nicht mehr die EU-Fahne. Bürgermeister Massimo Riberi hat sie abgehängt. „Ich bin kein Anti-Europäer. Aber in so einer Situation sollte niemand allein gelassen werden.“ Riberi spricht aus, was dieser Tage viele im von der Pandemie stark getroffenen Italien empfinden: Europa habe die Italiener im Stich gelassen. Die Fahne werde er erst wieder aufhängen, „wenn es eine klare Reaktion aus Europa gibt“, sagt der Bürgermeister.
Späte europäische Hilfe sowie mitteleuropäischer Widerstand gegen gemeinsame EU-Staatsanleihen haben Italiens Europaskepsis zu neuen Rekordhöhen geführt: In einer aktuellen Umfrage des Instituts Noto Sondaggi bezeichnen sich nur noch 49 Prozent der Befragten als EU-Befürworter, vor der Corona-Epidemie waren es 66 Prozent. Gerade einmal ein Viertel hat Vertrauen in die EU, vierzehn Prozent weniger als vor der Krise. 72 Prozent geben an, die EU habe nichts getan, um Italien zu helfen. 77 Prozent glauben, daran werde sich künftig nichts ändern.
Ein „Mea Culpa“ aus Brüssel
Dass Länder wie Deutschland erst spät Einfuhrbeschränkungen für Schutzausrüstung aufhoben, obwohl in Italien die Krankheit bereits wütete und das Gesundheitssystem vor dem Kollaps stand, wird als Zeichen mangelnder Solidarität und eines typisch „deutsch“ geprägten National-Egoismus interpretiert. Wenig ändert, dass auch Berlin inzwischen Masken und Beatmungsgeräte gespendet hat sowie italienische Patienten in deutschen Krankenhäusern behandelt.