Gastkommentar

Hochverrat: Hilfe von Feinden anzunehmen

A woman wearing a face mask walks at a residential area blocked by barriers in Wuhan
A woman wearing a face mask walks at a residential area blocked by barriers in WuhanREUTERS
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Kann man denn aus dem Umstand heraus, dass das Virus zuerst in Wuhan geortet wurde, von einer nationalen Schuld sprechen? Replik auf Stefan Broczas Text „Seidenstraße der Gesundheit?"

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Der Beitrag von Stefan Brocza in der „Presse“ (vom 30.3.) kann wohl unter diesem Titel zusammengefasst werden. Leider ist es nur ein besonders vulgäres Propagandastück, aber es steht doch beispielhaft für Beiträge in den Medien, die trotz der Epidemie-Gefahr, der alle Völker dieser Erde gegenüberstehen, eine Mentalität, welche Methoden Kalten Krieges und der internationalen Konfrontation unbedingt aufrechterhalten wollen. (S. auch im redaktionellen Artikel „Hilfe mit Hintergedanken“ in der „Wiener Zeitung"vom 28.3., auf China, Russland und Kuba abzielend).

Ist China der „Verursacher der aktuellen Versorgungskrise“? Der Virus ist nach heutigem Erkenntnisstand zuerst in Wuhan aufgetreten und vermutlich durch den Kontakt mit Wildtieren auf Menschen übertragen worden. Dieser Erkenntnisstand wird auch von der chinesischen Regierung vertreten. Eine Einzelmeinung in einer chinesischen Zeitung, die Vermutungen in andere Richtungen anstellt (US-Militär...) ist so irrelevant für China wie Herrn Broczas Meinung für die österreichische Regierung.

Kann man denn aus dem Umstand heraus, dass das Virus zuerst in Wuhan geortet wurde, von einer nationalen Schuld sprechen? War die Spanische (!) Grippe, die zuerst in New York auftrat, die „Schuld“ der Vereinigten Staaten? Wer kann nur so denken?!

Wenn „die soziale Lage und die systemischen Mängel im Bereich Umwelt und Hygiene in China der ursächliche Ausgangspunkt des Corona-Virus“ sein soll, darf gefragt werden, warum nicht eher in Ländern der Region, die von schlechteren sozialen und hygienischen Zuständen geprägt sind und in denen der vermutete Ursprungswirt, Fledermäuse, stark verbreitet sind? Die “soziale Lage” und die “systemischen Mängel im Bereich Umwelt und Hygiene” als Ausgangspunkt des Coronavirus zu nennen, zeigt, dass der Autor keine Kenntnis von China hat, sondern nur Vorurteile reproduziert. Wuhan ist eine moderne und wohlhabende Stadt in einem Land, das sehr erfolgreich dabei war, seine Bevölkerung aus der Armut herauszuführen. Seit mehr als einem Jahrzehnt investiert China mehr in Umweltverbesserungen als jedes andere Land, mit rapiden Verbesserungen, wie man auch aus Berichten der Vereinten Nationen oder der Weltbank ersehen kann. Der Etappen-Sieg über das Corona-Virus darf auch dem chinesischen Gesundheitssystem zugute gehalten werden. Bei allen Mängeln verfügt das öffentliche Gesundheitswesen Chinas über mehr Spitalsbetten pro 1.000 Einwohner als  manches große entwickelte Land. 

Wie konnte dann China die Seuche bemerkenswert schnell und mit relativ wenigen Verstorbenen unter Kontrolle kriegen, ist Italien etwa von einer besonders unhygienischen Kultur geprägt? Die Erfahrungen Italiens und jetzt auch der USA mögen den China-Bashern, die am Beginn der Epidemie den chinesischen Behörden Verheimlichung und Unterdrückung vorgeworfen haben, auch lehren, wie schwer es gewesen sein muss, nach dem Auftreten der ersten Lungen-Entzündungen die richtigen Schlüsse zu ziehen und sofort wirksame Eindämmung zu betreiben. Obwohl man aus China vorgewarnt war, gibt es in Europa viele Beispiele für nicht sehr vorausschauendes Handeln, zum Beispiel in der Frage der fehlenden Vorratshaltung von medizinischer Ausrüstung.

Vorurteile und geostrategische Konfrontation

Wir haben es mit politischer Voreingenommenheit zu tun, um festbetonierte weltanschauliche und politische Parteinahme, die die Meinung vorbestimmt und keine objektive Anerkennung der Fakten zulässt. Die Politik der chinesischen Regierung, auch wenn sie für alle deutlich sichtbar die Gesundheit der eigenen Bevölkerung und dem internationalen Zusammenhalt gegen die Epidemie zur Priorität erklärt, muss einfach hinterhältig und undemokratisch sein. Wir denken zwar auch über  Mobiltelefon-Apps zum Tracking von Infektionsketten nach, und wir können davon ausgehen, dass wir auf diese technischen Möglichkeiten nicht verzichten werden, aber bei uns werden es „demokratische“ Apps sein, weil in China ja alles nur der „umfassenden Überwachung“ der Bürger dient.

Auch ich habe im Rahmen der Spendensammlung eines wissenschaftlichen Instituts zum „Leerfegen“ des Weltmarkts für Schutzmaterial beigetragen, so wie viele Geschäftsleute und ÖsterreicherInnen chinesischer Abstammung, die im Jänner und Februar namhafte Beträge aufgewendet haben, um medizinische Hilfsgüter nach China zu schicken. Der chinesische Staat hat zugekauft, was kurzfristig zu bekommen war und hat offensichtlich die Produktionskapazitäten dafür im Land ausgebaut. Die zeitlich-geografische Verschiebung  der Epidemie hat nun die positive Seite, dass es sich besser gegenseitig helfen lässt. So kann China heute, da sich im Land die Situation entspannt hat, als Lieferant großer Mengen von Schutzausrüstung fungieren - keinesfalls nur für Westeuropa, sondern in noch größerem Ausmaß für die ärmeren Länder Asiens und Afrikas. Darin zeigt sich durchaus eine positive Seite der Globalisierung, die relativ rasche Verfügbarkeit von Ressourcen anderer Länder, die Reserven dafür haben und helfen wollen.

Die Anerkennung und der Dank der chinesischen Stellen, auch für in Anbetracht des Bedarfs kleine Hilfen, konnten den Spender beschämen. Aber ich hab verstanden, daß es nicht um die Größe geht, es geht um die Haltung. Ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund.

Der „Experte für internationale Beziehungen“ sieht das gar nicht so. Für ihn ist die Anerkennung für die chinesischen Lieferungen „verordneter Zwangsjubel“ (von wem?), die gelieferte Ausrüstung ohnehin nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, statt wirklich effizienten Schutzmasken nur „simple OP-Masken“ usw. Und mit den „kosmetischen Hilfslieferungen“ an diverse europäische Länder verfolge China nur die Agenda, danach Gefallen zu verlangen. (Zu unserem Glück kommen wir vielleicht damit davon, den Dalai Lama nicht mehr empfangen zu dürfen!).

In den internationalen Beziehungen ist mir lieber, wir würden die Aufforderung der chinesischen Vertreter willkommen heißen, für das Gemeinwohl der gesamten Menschheit zusammenzuarbeiten.

Dr. Wilhelm Reichmann ist Ökonom und Unternehmer.

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