Pizzicato

Das Haus ist weg

Der berühmte Professor hat dort einst gewohnt. Jetzt ist auch sein Haus weg. Vom Zeitwind verweht. Junge Leute sollten das hier lesen.

Diese Villa in unserer Gemeinde südlich von Wien sah immer kahl, verlassen und etwas unheimlich aus. Sie stand mittig auf einem großen Grundstück mit Garten. Hübsch war sie nicht wirklich: so dieser 1960er-/70er-Stil, kantig, kastenartig, emotionsarm, viel Glas, Glasziegel, Flachdach, Weiß und Grau.

Als unser Bub in den Kindergarten ging, spazierten wir oft daran vorbei, denn sie stand am Weg. Darin wohnte ein berühmter Professor. Ich sah ihn in all den Jahren vielleicht ein Mal, im Bademantel, als er die Zeitung vom Postkasten beim Tor zur Straße holte. Auch sonst sah man dort praktisch nie jemanden, höchstens eine Haushälterin, einen Gärtner. Unser Bub liebte es, auf der hüfthohen Mauer längs des Zauns zu gehen. Einmal, so erzählte er, habe ihn ein böses Frauengesicht zwischen den Thujen hinter dem Zaun (oder welch Buschwerk das auch immer war) angeschaut. Das sei ganz unheimlich gewesen!

Kürzlich trug man die Villa ab. Der Professor ist vor einigen Jahren gestorben. Nun kam ein Bagger. Die Wände fielen. Staub stieg auf. Auch darum trugen die Arbeiter Masken.

Bald lag auf dem Grund ein Berg aus Ziegeln, Mauerbrocken, Stahlträgern, Holz. Jetzt ist auch das weg. Vom Zeitwind verweht.

„Die Jungen san alt wordn. Und die Altn san g'storbn“, singt Hubert von Goisern in dem gewaltigen Lied „Heast as nit". Also diesen Satz sollten gerade viele Junge von heut' genauer lesen.

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2020)

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