Vor 75 Jahren: Ein Dorf an der Thaya in den letzten Kriegstagen

Die Toten der „Heimatfront“ versteckten sich meist hinter dem Begriff „zahlreiche“.
Die Toten der „Heimatfront“ versteckten sich meist hinter dem Begriff „zahlreiche“.(c) Illustration: ÖNB
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Geschützfeuer über Wochen. Standgerichte. Allgegenwärtig der Verdacht des Verrätertums. Morde an der Tagesordnung. Wie der Zweite Weltkrieg im nordöstlichsten Weinviertel zu Ende ging.

In den Winternächten des beginnenden Jahres 1945 konnte man im Osten des Reichsgaus Niederdonau das Feuern von schwerer Artillerie hören. Doch da die Abschüsse wochenlang weit weg blieben, schöpften manche Hoffnung und verachteten jene, die meinten, je rascher die Front näher komme, umso eher sei die Herrschaft der Nazis zu Ende und der Krieg vorbei. Gelegentlich wurde Hitler zitiert, der am 8. November 1942 gemeint hatte: „Das Deutschland von einst hat um dreiviertel zwölf die Waffen niedergelegt. Ich höre grundsätzlich immer fünf nach zwölf auf.“

Jetzt war es so weit. Besonders Umsichtige begannen, ein paar wertvolle Dinge zu vergraben. Die gefrorene Erde machte es ihnen nicht leicht. Da mussten die Keller herhalten. Die Ansprachen des Kreispropagandaleiters Sailer trug nicht zur Beruhigung bei. In dem kleinen Dorf Rabensburg an der Thaya im nördlichen Weinviertel wiederholte er, was er schon Dutzende Male von sich gegeben hatte: Die Dörfler, allesamt „Nachkommen der alten Grenzlandgeschlechter“, würden auch in harten Zeiten ihren Mann stehen. Herr Sailer bekam den zu erwarten gewesenen höflichen Applaus und „Heil“-Rufe zu hören. Aber was sollte man von derlei Floskeln halten, wenn man Tag für Tag den Wehrmachtsbericht las und dann das Grollen der Geschütze hörte? Das nächste Anzeichen dafür, dass der Krieg dem Ende zuging, war die Ankunft von nicht enden wollenden Flüchtlingstrecks. Sie waren in Siebenbürgen, in der Batschka und im Banat aufgebrochen. Wenn man die Flüchtlinge fragte, woher sie kämen, hörte man Namen wie Werschetz, Weißkirchen, India und wusste nicht, wo das war. Irgendwo im Süden, jedenfalls weit weg.

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