Die USA und der "Wild-West"-Stil im Kampf um Schutzmasken

Eine Boeing des Footballteams der New England Patriots brachte eine Million Masken aus China nach Boston und New York.
Eine Boeing des Footballteams der New England Patriots brachte eine Million Masken aus China nach Boston und New York.REUTERS
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Deutschland und Frankreich werfen den USA vor, für ihr Land bestimmte Lieferungen von Schutzmasken beschlagnahmt zu haben. Die USA mischen den Maskenmarkt derzeit heftig auf.

In der Coronakrise wird der weltweite Kampf um dringend benötigte Schutzmasken mit immer härteren Bandagen ausgetragen: Europäische Politiker werfen den USA dabei den Einsatz unfairer Mittel vor. "Wir betrachten das als Akt moderner Piraterie", sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel am Freitag, nachdem eine Lieferung von 200.000 professionellen Schutzmasken vom Typ FFP-2 in Bangkok "konfisziert" worden sei. Man gehe davon aus, dass dies im Zusammenhang mit dem Ausfuhrverbot für Masken der US-Regierung stehe, heißt es in einer Erklärung der Senatsverwaltung. In deutschen Regierungskreisen ist davon die Rede, dass US-Vertreter in China mit großen Summen Bargeld versuchten, Schutzausrüstungsladungen in die USA umzuleiten. Ähnliche Vorwürfe gibt es aus Frankreich.

Die USA sind das Land mit den meisten Coronavirus-Fällen. Die Bundesstaaten suchen für die Krankenhäuser dringend Schutzausrüstung. US-Präsident Donald Trump hatte nach anfänglichem Zögern die Anordnung gegeben, überall auf der Welt nach medizinischen Schutzgütern zu suchen. Zudem hat er eine Anordnung erlassen, dass alle von US-Firmen produzierte Masken in die USA geliefert werden sollten. Die Berliner Bestellung betraf das US-Unternehmen 3M in China. Das Weiße Haus wollte den Vorfall nicht kommentieren.

USA drängen auf den Markt

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte schon am Mittwoch von "Wild-West"-Methoden auf dem internationalen Beschaffungsmarkt gesprochen, ohne die USA namentlich zu erwähnen. Auch Geisel kritisierte nun, dass es auch in globalen Krisenzeiten "keine Wildwest-Methoden" geben sollte. Er forderte die Bundesregierung auf, in Washington vorstellig zu werden. Mit den deutschen Einkäufen vertraute Personen sprechen davon, dass sich die Situation seit vergangenem Wochenende geändert habe, als sich USA auf den Markt drängten.

Gesundheitsminister Jens Spahn wollte am Freitag nicht zu dem konkreten Berliner Fall Stellung nehmen, sagte aber, dass die Entwicklung auf den Weltmärkten von Schutzausrüstung "keine gute" sei. "Ich habe es ein paar Mal erlebt, dass sicher avisierte Landungen nicht gelandet sind", sagte er. Auch der Geschäftsführer des Logistik-Konzerns Fiege, Jens Fiege, sprach davon, dass man sich nicht mehr darauf verlassen könne, dass Bestellungen bei Firmen etwa aus der chinesischen Provinz noch die Flughäfen in China erreichten. Vor wenigen Tagen war in Kenia eine für Deutschland bestimmte Ladung mit Schutzmasken verschwunden.

„Sie zahlen jeden Preis"

Die deutsche Regierung arbeitet mittlerweile für die Beschaffung mit deutschen Konzernen wie Fiege zusammen, die oft über gute Verbindungen nach China verfügen, wo das Gros der Schutzausrüstung hergestellt wird. Der Vertreter einer anderen Firma sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe Berichte von US-Amerikanern, die mit großen Geldkoffern in China unterwegs seien. "Geld ist egal. Sie zahlen jeden Preis, denn sie sind verzweifelt", beschrieb auch ein christdemokratischer Politiker das mutmaßliche Vorgehen der Amerikaner. In den USA koordinieren das Außenministerium und die Heimatschutzbehörden den Einkauf. Ein Mitarbeiter der Heimatschutzbehörde räumte gegenüber Reuters ein, dass die USA überhöhte Preise zahlen würden. Die Regierung werde bis in den August große Mengen aufkaufen, "bis wir viel zu viel haben". Auch in den USA gibt es eine Diskussion über eine Maskenpflicht. Der Bedarf würde dann in die Milliarden gehen. Bayerns Ministerpräsident Söder hatte ebenfalls von einem Bedarf über einer Milliarde Stück allein für Deutschland gesprochen.

Der Markt gerät aber auch deshalb durcheinander, weil die globale Nachfrage nach Schutzkleidung die Produktion bei weitem übersteigt. In China gebe es immer mehr Zwischenhändler, die versuchten, Geld mit dem Handel etwa von Schutzmasken zu verdienen, sagte eine mit dem Einkauf beschäftigte Person zu Reuters. Es seien Lastwagen mit Personen unterwegs, die mit großen Mengen Bargeld versuchten, Schutzmasken direkt von den Fabriken zu kaufen. Ein deutscher Regierungsvertreter sprach davon, dass man zunehmend unseriöse Angebote von Personen bekomme, die die Lieferung von Schutzmasken aus China anböten.

Verhandlungen noch am Flughafen

Klagen über das Vorgehen gibt es auch in Frankreich. Drei Regionalpolitiker beklagten, dass bestellte Lieferungen in letzter Minute umgeleitet worden seien. Der Regionalpräsident für die Region Grand Est, Jean Rottner, sprach davon, dass es noch auf dem Flugfeld Verhandlungen über den Preis für eine bestellte Lieferung gegeben habe. Seine Kollegin Valerie Pecresse, Präsidentin der Region Paris, sagte, sie sei im letzten Moment überboten worden, nannte aber nicht die USA.

In Deutschland hatten Politik und Wirtschaft einen Schulterschluss vereinbart, um dringend benötigte medizinische Schutzausrüstung im Ausland zu erwerben. Im Beschaffungsstab im Gesundheitsministerium sitzen nun auch Vertreter großer deutscher Konzerne wie VW, Lufthansa oder BMW, die internationale Kontakte haben. Etliche Firmen wie BMW, VW oder Rheinmetall bestätigten die Zusammenarbeit.

(Reuters)

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