In manchen Regionen Österreich scheint eine neue Angst entstanden zu sein, die vor möglicher Ansteckung durch Fremde. Konkret: durch Bundesland-Fremde.
Guten Morgen! Eigentlich wäre ein bisschen Zuversicht angebracht, die drei Wochen mit Ausnahmebeschränkungen, stillgelegten Städten und völligem Rückzug in Arbeit, Privatleben und Lernen in den eigenen vier Wänden waren hart und neu, haben aber zu einer deutlichen Abbremsung aller negativen Zahlen geführt, die Zunahme der Covid-Ansteckungen ging zurück, die Zahl der Todesfälle und schweren Krankheitsfällen auf Intensivstationen bleibt im Vergleich zu anderen Länder auf einem niedrigeren Niveau fern von Horrorszenarien. Man könnte also mit aller gebotenen Vorsicht sagen, es funktioniert offenbar einigermaßen. Auch wenn es weiterhin mehr als beunruhigende Nachrichten gibt wie jenen aus dem Wiener AKH, wo Ärzte und Pfleger schier daran verzweifeln, weil es noch immer an Schutzmasken und -kleidung mangelt. Manch einer oder eine, die da Patienten helfen soll und will, trägt Masken aus dem nächsten Supermarkt, die nicht für einen andauernden Einsatz oder Schutz am Patienten vorhergesehen sind. Das kann und dürfte eigentlich nicht sein.
Aber sonst wäre die Situation erstmals seit Tagen und Wochen mit leichtem Optimismus zu beurteilen, den die Grün-Regierungspolitiker schon seit Tagen froh verbreiten. Und: Noch eine Woche Disziplin und ein zurückgezogenes Osterfest in kleinem Rahmen und wir könnten über den einsetzenden Neustart für das Land reden. Könnten. Eigentlich.
»Es geht um die gemeingefährlichen Nebenwohnbesitzer.«
Doch in manchen Regionen Österreich scheint eine neue Angst entstanden zu sein, die vor möglicher Ansteckung durch Fremde. Konkret: durch Bundesland-Fremde. Die folgenden Episoden sind zwar ernst gemeint, aber so nur schwer ernsthaft zu verstehen. Es geht um die gemeingefährlichen Nebenwohnbesitzer, die laut aktueller Regierungsverordnung ihre Ferien ebendort verbringen dürften, so sie im Kreis jener Familien oder mit jenem Partner bleiben, mit denen sie auch sonst im selben Haushalt leben.
Doch solche Besucher wollen einige Regionalpolitiker in den kommenden Tagen verhindern. Da wären einmal vier Bürgermeister aus dem Ausseerland im Salzkammergut. In einem offenen Brief, den sie auch auf Facebook stellten, heißt es: „Mit großer Besorgnis stellen unsere Wachdienste fest, dass sich vermehrt Zweitwohnungsbesitzer und Tagestouristen im Steirischen Salzkammergut aufhalten. Das kann aufgrund der KFZ-Kennzeichen festgehalten werden (Graz, Wien, Oberösterreich, Mürztal, Murtal etc.) (…) Gerade diese „Gäste“ widersetzen sich den örtlichen Vorgaben und den Anordnungen der Bundesregierung. Wir fordern daher, ähnlich dem Tiroler Modell, den Übertritt von Gemeindegrenzen nur mehr aus den bekannten Gründen zu erlauben. (…) Lebensmittelhändler berichten von vermehrten Bestellungen von jetzt noch nicht anwesenden Zweitwohnungsbesitzern für die Osterzeit, was unsere Befürchtungen bestätigt. Wir bitten um rasches Handeln.“
Unterschrieben haben die vier Bürgermeister der schönen Gegend, der Brief ging an den Landeshauptmann. Also schnell Quarantäne gegen die Grazer und Wiener Virenschleudern, die auch noch vorab ihre Hamsterkäufe reservieren. Ich freue mich auf die Antwort von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Oder dass das alles nur perfekt gestaltete Fake News (inklusive Nummern und Namen, die im nächtlichen Check halten) der politischen Gegner im aufgeschobenen Gemeinderatswahlkampf sind.
»Zugang zum Privateigentum? Verboten.«
In einem anderen Bundesland wurde der Landeshauptmann beziehungsweise seine krankheitsbedingt amtierende Stellvertreterin bereits aktiv: Im sonnigen Burgenland gilt es, den Neusiedler See vor Wienern und anderen Fremden zu verteidigen, hier wurde die Nebenwohnsitzbesuchserlaubnis der Bundesregierung von der Eisenstädter Protektoratsverwaltung per Verordnung im Landesgesetzblatt außer Kraft gesetzt: „Das Betreten von Seebädern, Stegen und Seehütten wird untersagt. Des Weiteren ist das Betreten von Hafen- und Slipanlagen zum Zweck der Ein- und Auswasserung sowie Inbetriebnahme von Wasserfahrzeugen aller Art auf Gewässern verboten.“ Zugang zum Privateigentum? Verboten. Das wird hübsche Szenen und Polizeieinsätze heute am Neusiedler See geben, wenn viele im Glauben der Zusage der Bundesregierung von der lokalen Polizei daran gehindert werden, ihre bescheidenen Wochenend-Häuschen zu befahren und betreten. Das wäre eigentlich auch die perfekte Gelegenheit für Hans-Peter Doskozil endlich die Machtverhältnisse im Land umzudrehen und die Esterhazy-Latifundien, auf denen die meisten der Hütten und Boote stehen, wegen des Corona-Virus zu beschlagnahmen! Einfach um auf Nummer sicher zu gehen.
Wie angekündigt wollte ich heute etwas Unterhaltsames schreiben, aber die heimische Wirklichkeit schafft das von alleine. Vielleicht sollten sich nach der Krise die Ausseer Bürgermeister und die Mitglieder der burgenländischen Landesregierung zu einer kleinen Corona-Party treffen – am besten in einem der Bundesgärten in Wien? Da ist man unter sich. Die ein oder andere Ministerin stößt sicher auch dazu…
Eine schöne positive Episode gegen den Zynismus habe ich noch: Der Deutschlehrer meiner Tochter hat ein großartiges Mail geschrieben, das ihn wohl zu Recht zu einem Lieblingslehrer macht und entspanntes Vorbild sein sollte: „Liebe Eltern, liebe Kinder! Was immer Sie in anderen Fächern erhalten: In Deutsch möchte ich nur, dass sich das bisher Gelernte so hartnäckig hält wie ein Kaugummi in den Haaren. Das Bildungsministerium sieht das übrigens auch so, sinngemäß jedenfalls. Um diese Reise zu den Anfängen des Schuljahres etwas reizvoller zu gestalten, muss man die Lücken (in der Aufgabe, Anm.) füllen, damit ein sinnvoller Text entsteht. Bitte ausdrucken (wenn möglich), ausfüllen und ab in die Mappe! Vielleicht erinnert man sich dabei auch an gewisse schöne, lustige, interessante, unbeschreibliche, extraordinäre, ........ Stunden, die wir zusammen erlebt haben. Das ist auch wichtig! Liebe Grüße, Peter Fischthaler“
Danke, dass es solche Lehrer in solchen Zeiten gibt.