Nationalrat: Von Steuerkeulen und "Strizzi-Methoden"

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In einer emotionale Debatte über einen Budgetfahrplan mit Verspätung hieß es Regierung gegen Opposition. Kanzler Faymann setzte zur Selbstverteidigung an. Die Opposition war nur mäßig angetan.

WIEN. Es schien fast so, als könnte der Kanzler die Aufregung über den nach hinten verschobenen Zeitplan wirklich nicht verstehen: Seine Regierung habe doch allen Grund, das Budget erst am 1. Dezember dem Nationalrat vorzulegen und nicht – wie die Verfassung vorsieht – spätestens am 22. Oktober, mag sich Werner Faymann gedacht haben, als er am Mittwoch vor dem Nationalrat zu seiner Selbstverteidigungsrede ansetzte, die lauter war und offensiver als die meisten zuvor. Die unsicheren Prognosen. Die schwerste Wirtschaftskrise seit 1945. Das erfordere umfangreiche Vorbereitungsarbeiten, sagte er.

Noch dazu ändere ein Entwurf mit Verspätung kaum etwas – weder für die Opposition noch für die Bevölkerung: Das Budget werde plangemäß am 1. Jänner 2011 in Kraft treten. Das Parlament hätte im Dezember genügend Zeit für die Ausschussarbeit und die Sitzungen. Und mit dem Begutachtungsentwurf für die Budgetbegleitgesetze würden Ende Oktober ohnehin schon alle wesentlichen Maßnahmen auf dem Tisch liegen. So what?

„Sehr geehrte Verfassungsbrecher“

Einblicke in diesen Maßnahmenkatalog konnte oder wollte Faymann vorerst nicht gewähren. Vermögenssteuern erwähnte er zwar einmal mehr, aber wie weit die diesbezüglichen Verhandlungen mit der ÖVP fortgeschritten sind, blieb sein wohlbehütetes Geheimnis. Finanzminister Josef Pröll hielt sich ähnlich bedeckt, er skizzierte bloß sein „Arbeitsdreieck“ für die nächsten Monate: Die Regierung müsse ein Budget zimmern, das größte Sanierungspaket der Zweiten Republik ausarbeiten und mit den Ländern eine Verwaltungsreform verhandeln. Dafür gelte die Vorrangregel: „Qualität vor Tempo.“

Die Opposition war nur mäßig angetan von diesen Erklärungen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache begrüßte „die sehr geehrten Herren Verfassungsbrecher Faymann und Pröll“ und bezichtigte sie der „Dampfplauderei“. Dann entlarvte er das seiner Meinung nach wahre Motiv: SPÖ und ÖVP hielten deshalb so lange mit der unangenehmen Wahrheit hinterm Berg, weil sie Angst hätten vor Stimmenverlusten bei den steirischen und Wiener Wahlen im Herbst. Und das, sagte Strache, sei nicht nur „zum Genieren“, sondern nachgerade eine „Strizzi-Methode“.

Fritz Neugebauer (ÖVP), der Zweite Nationalratspräsident, hatte so seine Probleme mit dieser Wortwahl, weshalb er Strache ein Humboldt-Zitat mit auf den Weg gab: „Der Mensch wird Mensch erst durch die Sprache.“ Doch das passte wiederum dem grünen Budgetsprecher Werner Kogler nicht: Es sei nicht die Aufgabe des Präsidenten, Abgeordnete zu maßregeln, die auf einen Verfassungsbruch der Regierung hinwiesen.

In dieser Sache nämlich kennt die Opposition keine unterschiedlichen Ideologien. „Eigentlich“, sagte Kogler in Richtung Faymann und Pröll, „sind sie rücktrittsreif.“ Dann nahm er vor allem die SPÖ ins Visier: Dass sie mit ihren Reichensteuer-Plänen „Wählermaximierung“ für die Landtagswahlen betreibe, um hernach dann doch wieder vor der ÖVP umzufallen, „ist die wahre Sauerei“.

BZÖ-Chef Josef Bucher schoss sich auf Pröll ein, den „Schulden-Vize der Nation“. Dass die Regierung der Bevölkerung nun nicht die Wahrheit sage, sei „blanker Zynismus, denn nächstes Jahr werden sie ihr dann eins mit der Steuerkeule überziehen.“

AUF EINEN BLICK

■Die Regierungwird den Entwurf für das Budget 2011 nicht, wie in der Verfassung vorgeschrieben, bis spätestens 22. Oktober dem Nationalrat übermitteln, sondern erst am 1. Dezember. Als Grund dafür wird die Wirtschaftskrise samt Folgen genannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2010)

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