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Was kommt nach der Coronakrise?

Nach Corona soll eine Deurbanisierung folgen
Nach Corona soll eine Deurbanisierung folgenAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Manche erwarten in der Folge eine Deurbanisierung und eine Aufwertung des Lebens am Land. Ein interessanter, aber wohl utopischer Gedanke.

Die Welt wird nach der Coronakrise eine andere sein. Darüber sind sich Experten weitgehend einig. Unterschiedlich sind indes die Ansichten, was genau anders sein wird. Sogenannte Zukunftsforscher wie Matthias und Tristan Horx oder Daniel Dettling haben kürzlich einige Szenarien verkündet, die von einer Fragmentierung der Welt bis hin zu gestärktem globalen Denken, von der Isolation des Einzelnen bis zum Überwachungsstaat reichen.

Gemeinsam ist einigen dieser Szenarien, dass sich die Beziehung zu unserem Lebensraum ändern wird. Etwa in Form einer Neugewichtung des Verhältnisses von Stadt und Land. Unter dem Stichwort Deurbanisierung wird erwartet, dass die Stadt als Wohnort unattraktiver wird – nicht zuletzt wegen der hohen Bevölkerungsdichte, die die Ausbreitung von Seuchen begünstigt. Dies käme einer radikalen Trendumkehr gleich: Bisher wuchsen die Ballungsräume ungebremst, die UNO erwartet(e) bis 2050 einen weiteren Anstieg des Anteils der urbanen Bevölkerung von derzeit 55 auf 70 Prozent.

Eine Trendwende schien bisher undenkbar. Sie würde aber gut zu einer – zumindest in Europa – spürbaren Entwicklung passen. Sichtbar wurde diese erstmals durch Magazine, die das Landleben idealisieren. Nun ist sie im Mainstream angekommen – auch in der Wissenschaft. In seinem neuen Buch „Das Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform“ (302 S., C. H. Beck, 26,90 €) analysiert der renommierte Geograf Werner Bätzing, historisch weit ausholend, den jahrzehntelangen Abstieg des ländlichen Raums. Er hat allerdings Hoffnung – und zwar für den Fall, dass sich das Land wieder seiner Stärken besinnt. Bätzings Kernaussage: „Das Land muss wieder ländlicher, die Stadt muss wieder städtischer werden.“

Auch international tut sich einiges. Der Stararchitekt Rem Koolhaas, bisher ein überzeugter Urbanist, hat sich für die Ausstellung „Countryside, The Future“ im Guggenheim Museum in New York dem heutigen Landleben zugewandt – und fand dabei global viel Bewegung am Land und noch mehr Chancen für die Menschheit. Im Begleitbuch (352 S., Taschen, 20 €) fordert er, die Fixierung auf die „totale Urbanisierung“ aufzugeben.

Das sind interessante Gedanken. Doch bevor nun manche hoffen, dass die desaströse Landflucht enden könnte, muss man festhalten, dass es gute Gründe für das Abwandern in Städte gab (und gibt) – etwa soziale Enge und Jobmangel. Diese werden nicht einfach verschwinden. Corona hin oder her.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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