Österreich

Zahl der Covid-19-Intensivpatienten steigt

Corona-Patienten brauchen viel längere Intensivpflege als andere Kranke auf Intensivstationen, bilanzieren Fachärzte. Das System sei „belastet, aber nicht überlastet“.

Die erste Bilanz der österreichischen Intensivmediziner zur Betreuung von Covid-19-Patienten liegt vor. Während die Zahl der Menschen, die wegen Covid-19 in Österreich im Krankenhaus sind, mit um die 1070 seit einigen Tagen etwa stabil ist, steigt die Zahl der Sars-CoV-2-positiven Intensivpatienten. Sie benötigen viel längere Intensivpflege als andere Kranke, die auf eine Intensivstation müssen.

Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (Ögari) hat ihre Mitglieder zu den bisherigen Erfahrungen mit der Schwere der Erkrankung, zu typischen Charakteristika von Erkrankten und zu eingesetzten Therapien befragt. Eine signifikante Entwicklung: Wurden beispielsweise am 26. März noch 96 Betroffene auf Intensivstationen behandelt, lag diese Zahl am 4. April bei 245, also bei mehr als dem Zweieinhalbfachen nach zehn Tagen. "Damit sind erwartbare Steigerungen eingetreten. Wir haben eine solche Entwicklung zuvor aus dem Ausland berichtet bekommen", sagte Klaus Markstaller, Präsident der Ögari (Meduni Wien/AKH Wien).

Relativ viele Intensivbetten

Der Darstellung der Fachgesellschaft nach waren am 26. März in Österreich 547 Personen wegen Covid-19 in Spitalsbehandlung (96 auf Intensivstationen). Am 31. März gab es 1110 Spitalspatienten, 198 auf Intensivstationen. Vom 1. April bis 4. April waren es bis auf einen Tag (1057/2. April) jeweils knapp mehr als 1070 Patienten mit Covid-19 in den Krankenhäusern (4. April zum Beispiel 1071).

Österreichs Krankenhäuser, insbesondere die Intensivstationen, hätten sich sehr umsichtig und professionell auf die Coronakrise und zusätzliche Patientenströme vorbereitet, sagte der Wiener Spezialist. "Auch in der aktuellen Situation der vermehrten Belastung ist unser Credo, personenbezogene, individualisierte Intensivmedizin zu betreiben, wie wir das sonst auch tun. Das bedeutet in jedem Fall zu beraten, ob beziehungsweise welche therapeutischen Maßnahmen unter den individuellen Voraussetzungen des einzelnen Patienten oder der einzelnen Patientin sinnvoll sind", betonte Markstaller.

Der Grund dafür liegt auch in der im internationalen Vergleich in Österreich relativ hohen Anzahl an verfügbaren Spitalsbetten und auch von recht vielen Intensivbetten. Laut einem OECD-Vergleich von zehn Ländern liegt Deutschland mit 33,3 Intensivbetten pro 100.000 Einwohnern an der Spitze, gleich dahinter liegt Österreich mit 28,9 Intensivbetten pro 100.000 Menschen, dahinter folgen die USA (25,8) und Frankreich (16,3). Der OECD-Schnitt liegt bei 15,9. Schlusslichter sind Italien (8,6), Dänemark (7,8) und Irland (5,0). In Österreich wurde von Beginn der Sars-CoV-2-Problematik an getrachtet, möglichst viele Patienten außerhalb der Spitäler zu versorgen. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur Einschränkung der Übertragung der Erreger getroffen.

„System belastet, aber nicht überlastet“ 

Dass man weiterhin den individuellen Patienten versorgen und nicht "Triage" aus Mangel durchführen müsse, liegt damit an mehreren Faktoren. "Das ist uns im Gegensatz zu anderen Ländern wie Italien, Spanien oder Teilen Frankreichs noch möglich, weil das System zwar belastet, aber nicht überlastet ist. Insofern haben sich die Eindämmungsmaßnahmen bewährt, weil bisher verzögert werden konnte, dass zu viele Menschen gleichzeitig an Covid-19 erkranken", sagte der Intensivmediziner. Sei das nämlich der Fall, dann könne intensivmedizinisch keine Individualmedizin mehr betrieben werden. Dann müsse angesichts zu knapper Ressourcen entschieden werden, wer überhaupt behandelt wird und wer nicht. "Umso wichtiger ist es, weiterhin alles Notwendige zu tun, um eine mögliche Überforderung der Intensivkapazitäten auch weiterhin zu vermeiden," so der Ögari-Präsident.

Bisherige Erfahrungen mit Covid-19-Patienten zeigen - bei manchen regionalen Besonderheiten - einige gemeinsame Nenner und Trends. Einer davon zeige sich quer durch das Bundesgebiet, so Markstaller: "Patientinnen und Patienten mit Covid-19, die intensivpflichtig werden, weisen sehr schwere Krankheitsverläufe auf, sie werden überdurchschnittlich lange auf den Intensivstationen behandelt und müssen überdurchschnittlich lange beatmet werden. Das ist nicht nur für die Erkrankten sehr belastend, sondern stellt auch eine erhebliche Herausforderung für die Ressourcen dar." Eine weitere Beobachtung: Schwere Sars-CoV-2-Erkrankungen sind in aller Regel Multiorganerkrankungen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen etwa des Herzmuskels, der Durchblutung, der Blutgerinnung und der Nierenfunktion.

Mehr Männer auf Intensivstationen

"Während sich bei den bestätigten Erkrankungen insgesamt laut Daten des Gesundheitsministeriums das Geschlechterverhältnis die Waage hält (51 Prozent Männer vs. 49 Prozent Frauen; Anm.), sind bei den intensivpflichten Patientinnen und Patienten bisherigen Beobachtungen zufolge mehr Männer betroffen", sagte Markstaller. An einzelnen Intensivabteilungen zählt man etwa doppelt so viele Männer mit Covid-19 als Frauen. Ob das an genetischen Faktoren oder mehr Risikofaktoren unter den Männern liegt, ist unklar. Entgegen verbreiteten Vorstellungen werden den Berichten aus einer Reihe von Bundesländern zufolge keineswegs nur hochbetagte Covid-19-Patienten intensivmedizinisch betreut. Der Altersschnitt liegt in vielen Fällen bei rund 70 Jahren, es gibt aber auch jüngere Patientinnen und Patienten unter 50.

Der Intensivmediziner: "Auch in einem anderen Punkt treffen sich die Beobachtungen aus unterschiedlichen Regionen: Typische Vorerkrankungen bzw. Risikofaktoren, die bei schweren Krankheitsverläufen zu sehen sind, umfassen Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Adipositas, COPD und Asthma. Ob es sich hier um einen kausalen oder statistischen Zusammenhang handelt, ist wie viele andere Aspekte der Erkrankung noch unklar."

„Mit keiner anderen Erkrankung vergleichbar“ 

"Schwere Verläufe von Covid-19 sind mit keiner anderen Erkrankung vergleichbar, die wir sonst an den Intensivstationen behandeln, etwa bakteriellen Lungenentzündungen, abdomineller Sepsis oder Traumafolgen", sagte der zukünftige Präsident der Ögari, Walter Hasibeder (Krankenhaus St. Vinzenz, Zams).

"Wir sehen, dass die Intensiv-Patientinnen und -Patienten mit Covid-19 über einen langen Zeitraum in einem schlechten Zustand sind", bestätigt auch der Vorgänger von Markstaller als Ögari-Präsident, Rudolf Likar (Klinikum Klagenfurt am Wörthersee): "Der durchschnittliche Aufenthalt von Intensivpatientinnen und -patienten an unserer Klinik liegt bei 5,6 Tagen. Bei den Sars-CoV-2-positiven Personen ist die Aufenthaltsdauer viel länger, sie können in der Regel erst nach 14 Tagen extubiert werden." Eine Schwierigkeit, so Likar, sei auch die geringe wissenschaftliche Evidenz für Therapien, insbesondere für medikamentöse Verfahren.

(APA)

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