Spanien schlägt Deutschland 1:0 und steht im WM-Finale

Spains Puyol celebrates his goal with team mates during the 2010 World Cup semi-final soccer match as Puyol celebrates his goal with team mates during the 2010 World Cup semi-final soccer match a
(c) REUTERS (Jerry Lampen)
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Erstmals in der Geschichte schafft Spanien den Einzug in das Endspiel einer Fußball-WM. Die Spanier schlagen Deutschland 1:0, den Siegtreffer erzielt Puyol nach einem Eckball. Final-Gegner am Sonntag sind die Niederlande.

Die Worte von Iker Casillas im Vorfeld des Spiels hatten theatralisch gewirkt. Vom „wichtigsten Spiel unserer Historie", hatte der Kapitän der Spanier gesprochen. Nach den 93 Minuten gegen Deutschland sah er sich bestätigt. Erstmals in der Geschichte spielte sich die Selección española in das Endspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft. Dort warten am Sonntag die Niederlande.

Den Finaleinzug der Spanier fixierte Carles Puyol in der 73. Minute durch einen Kopfballtreffer nach einem Eckball von Xavi.

Die Spanier hatten ihr Spiel gespielt: technisch sauber, den Ball ständig rotieren lassend, Räume öffnend und den Zug aufs Tor bewahrend. Souverän, wie es sich für einen Europameister - der den Titel in Wien mit einem 1:0 über Deutschland geholt hatte - gehört.

Doch in den entscheidenden Momenten kamen die Spanier zu spät oder standen die Deutschen in ihrer Abwehr zu gut. Xavi Alonso versuchte sich mehrmals, Pedro ebenso, auch Andres Iniesta, David Villa und und Sergio Ramos hielten drauf. Entweder gingen ihre Schüsse knapp daneben oder Manuel Neuer im Tor der Deutschen war auf seinem Posten.

Dennoch konnte einem im Spiel der Europameister einiges typisch spanisch vorkommen: Wie schon bei der 0:1-Niederlage gegen die Schweiz im ersten Gruppenspiel versuchten sich die Spanier einen Weg durch die Mitte zu bahnen: ein sinnloses, durchsichtiges Vorhaben. Alles andere als royal waren auch die Flanken, die die Spanier vor den Augen ihrer Königin Sophia schlugen. Und wenn eine Hereingabe halbwegs präzise gelang, fehlten die Abnehmer. Dass die Spanier körperlich durchwegs kleiner als die Deutschen sind, war schließlich kein Geheimnis. Ein Blick ins Panini-Stickeralbum hätte genügt. Die einzige Aktion bei der Größenunterschied keine Rolle spielte, führte zum Siegestreffer.

Die Deutschen ihrerseits schienen mit einer Viertelstunde Verspätung ins Stadion gekommen zu sein. Nach einer halben Stunde waren sie warmgelaufen und hatten sich aus der respektvollen Erstarrung vor den Gegnern gelöst. Erst nach einer Stunde kamen Klose und Kroos gefährlich vor das Tor von Casillas. Doch von der Durchschlagskraft, die die deutsche Elf in den Spielen zuvor gezeigt hatten, war kaum mehr etwas spüren. Durch den Gegentreffer wachgerüttelt, versuchten sie Sturm zu laufen. Doch das brachte nichts mehr ein - genauso wenig wie die Konter der Spanier.

Bemerkenswert war auch die Leistung von Schiedsrichter Viktor Kassai: Er kam ohne Gelbe Karte aus - obwohl die Verwarnung einiger Spieler durchaus angezeigt gewesen wäre.

Übrigens: Auch die Flitzer sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Der junge Mann, der in der vierten Minute das Spielfeld gestürmt hatte, war vollständig bekleidet. Gut, in Südafrika ist eben auch Winter.

Meinungen

Vicente Del Bosque (Teamchef Spanien): "Ich will gar keine Namen nennen. Alle Spieler waren heute außergewöhnlich. Aber wir müssen aufpassen, es bleibt noch ein Match zu spielen. Wir sind heute Abend sehr glücklich, aber wir müssen aufpassen, dass wir uns gut erholen. Ich danke allen, die seit Jahren so viel rund um diese Mannschaft arbeiten. Wir kennen den niederländischen Fußball, das Finale wird ein sehr schwieriges Spiel."

Joachim Löw (Teamchef Deutschland): "Kompliment an die Spanier. Sie sind schon seit Jahren die Besten, und ich glaube auch, dass sie das Turnier gewinnen. Wir konnten in dem Spiel gewisse Hemmungen nicht abbauen. Spanien lässt den Ball so laufen, dass man immer hinterherläuft. Unsere Mannschaft hat bisher ein tolles Turnier gespielt, aber heute ist es nicht so gelaufen. Ich denke schon, dass wir aus dem heutigen Spiel unsere Lehren ziehen werden. In Zukunft werden wir solche Spiele vielleicht besser bestreiten. Wir haben unsere Aktionen nicht mit der Konsequenz, dem Mut und der Überzeugung der letzten Spiele fertiggespielt. Die Torgefahr und Unberechenbarkeit von Müller haben wir heute natürlich vermisst."

David Villa (Stürmer Spanien): "Ich bin sehr zufrieden. Wir haben unser bestes Spiel bei dieser WM gespielt und mehr Tore schießen können, aber das eine von Puyol hat uns ins Finale gebracht. Noch niemals hat unser Team das Endspiel erreicht. Wir sind sehr glücklich, aber natürlich wollen wir jetzt Weltmeister werden."

Philipp Lahm (Kapitän Deutschland): "Die Enttäuschung ist sehr groß. Wir haben uns viel vorgenommen. Wir haben vor dem Turnier gewusst, dass Spanien der Topfavorit auf den Titel ist. In der zweiten Halbzeit haben wir nicht so viel zugelassen, aber Spanien ist einfach eine sehr starke Mannschaft. Es ist der Traum jedes Fußballers, Weltmeister zu werden. Es ist sehr bitter, wenn man im Halbfinale ausscheidet."

Manuel Neuer (Tormann Deutschland): "Die bessere Mannschaft hat gewonnen. Wir haben zu wenig nach vorne gebracht, es hat der Mut gefehlt. Heute haben wir in der ersten Halbzeit nicht getroffen. Bis auf das Serbien-Spiel sind wir bisher immer mit einer Führung in die Pause gegangen, das hilft dann natürlich auch dem Selbstvertrauen. Wir haben ein gutes Turnier gespielt, aber die Enttäuschung überwiegt."

Bastian Schweinsteiger (Spieler Deutschland): "Glücklich bin ich nicht. Man ist verärgert, wenn man kurz vor dem Finale steht und dann nicht so spielt, wie man das vorgehabt hat. Spanien hat natürlich sehr gute Spieler, aber wir sind immer dem Ball nachgelaufen. Wenn man so viel nach hinten arbeiten muss, hat man nicht so viel Kraft nach vorne. Ich denke, man kann Spanien nicht mit Argentinien und England vergleichen. Sie sind noch einmal eine Stufe besser. Wenn man gegen so eine Mannschaft spielt, muss man taktisch auf höchstem Niveau spielen. Natürlich hat man gesehen, dass wir eine gute junge Mannschaft haben, die Zukunft hat. Aber so direkt nach dem Spiel ist es schwierig, über die Zukunft zu sprechen."

("Die Presse", Printausgabe vom 8. Juli)


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