Pizzicato

Social Distancing? Social Blocking!

Das Problem mit dem wegen Corona verordneten Abstandhalten ist, dass es die Folgen einer alten Seuche noch verschärft: nämlich das Herumstehen im Nahbereich von Passagen und anderen Engstellen, bekannt als gemeine Durchgangserkrankung.

Es ist ganz klar ein Kandidat für das (Un-)Wort des Jahres: Social Distancing. Das beschreibt die wegen Corona geltende Regel, Abstand voneinander zu halten, eineinhalb bis zwei Meter am besten.

Leider verschärft das eine alte Seuche, an der viele leiden: die gemeine Durchgangserkrankung. Auch Türsteheritis genannt.

Weil es ist ja so: Obwohl wir anno 2020 leben, Flugzeuge, Handys, Teilchenbeschleuniger und Stabmixer bauen können, scheitern viele Menschen noch immer an einer uralten Erfindung: dem Durchgang. Das sind jene Lücken etwa in Mauern, Zäunen und Fahrzeugen, durch die man von einem Raum in den anderen wechselt. Oft sind dort Türen. Und dann passiert's: Es gibt stets Leute, die kurz vor, in oder nach einem Durchgang stehen bleiben. Und schauen, telefonieren, whatever. Ihn jedenfalls blockieren. Ob da noch andere durchwollen, ist nebensächlich.

Gern stoßen dort weitere TürsteherInnen dazu. Typischerweise zum Plappern. So entsteht etwas, das Mediziner unter anderen Umständen Thrombus nennen würden. 

Man kennt das aus U-Bahn, Theatern, Kinos, Bars, Heurigen, Kirchen, Geschäften, Supermärkten . . . in Letzteren stehen Leute oft mitten im Gang zwischen den Regalen. Das ist jetzt aber halt in diesen Zeiten äußerst blöd: Wie kommt man da vorbei, ohne das Social Distancing zu brechen? Ich erleb es momentan fast täglich: Steht etwa eine Lady mitten im schmalen Gang und sperrt ihn faktisch! Aber drückt man sich verschämt daran vorbei, kommt gewiss der böse Blick!

Tja: Die Durchgangserkrankung schädigt das Verständnis für Raumaufteilung und Menschendynamik. Hoffentlich entwickelt jemand einmal eine Impfung gegen dieses Leiden namens Social Blocking. (wg)

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

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