Coronavirus

Warum die EU-Seuchenagentur so danebenlag

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Die EU leistet sich seit 2005 ein Zentrum, das vor Epidemien warnen soll. Noch am 23.Februar, nach dem Covid-19-Ausbruch in der Lombardei, stufte es das Risiko für den Rest der EU als „gering bis moderat“ ein. Im Interview rechtfertigt sich ECDC-Direktorin Andrea Ammon.

Wien/Solna. Schon einmal versetzte eine Coronapandemie die Welt in Angst. Im November 2002 tauchte in der südchinesischen Provinz Guangdong eine rätselhafte Infektionskrankheit auf. Man nannte sie SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome), weil sie die Atemwege schwer und akut angriff. Erreger war ein von einer Fledermaus übergesprungenes Coronavirus, der große Bruder der heutigen Plage.

Die Seuche breitete sich in 29 Ländern aus, die Todesrate lag bei fast zehn Prozent. Im März 2003 gab die Weltgesundheitsorganisation WHO Alarm. Am Ende blieb es bei insgesamt 8098 Fällen und 774 Toten, hauptsächlich in China Hongkong, Taiwan und Kanada, aber auch in Europa.

Die Geschichte ging glimpflich aus, doch der Schrecken saß tief in den Knochen. Die Europäische Union beschloss damals, eine eigene Seuchen-Agentur zu schaffen. Im Mai 2005 öffnete das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control – ECDC) seine Pforten im schwedischen Solna. Seine Aufgabe und Existenzberechtigung besteht darin, Informationen über ansteckende Krankheiten zu sammeln und die EU-Mitgliedstaaten rechtzeitig zu warnen. Die große Stunde des Zentrums und seiner 280 Mitarbeiter (jährliches Budget: 60 Millionen Euro) hätte in der gegenwärtigen Coronakrise schlagen können. Doch die EU-Agentur schätzte die Lage falsch ein.

Fehleinschätzung in der Lombardei

Am 23. Februar, nach dem Ausbruch von Covid-19 in Italien, bewertete das Europäische Seuchenzentrum das künftige Infektionsrisiko für Menschen in der EU und dem Vereinigten Königreich als „gering bis moderat“. Zu diesem Zeitpunkt hatten die italienischen Behörden mehr als drei Dutzend Infizierte in der Lombardei, ein Dutzend in Venetien und auch die ersten beiden Todesfälle gemeldet. Sie riegelten den Virusherd Codogno und neun umliegende Gemeinden in der Lombardei ab. Die „rigorosen Maßnahmen“ in Italien würden die Verbreitung des Virus reduzieren, beruhigte das ECDC im Hohen Norden. Es sollte anders kommen.

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