Kolumne zum Tag

Das Brot bäckt man am besten im Lotussitz

Wer vorher kein Händchen für Germ hatte, wird nun auch nicht zum Meisterbäcker.
Wer vorher kein Händchen für Germ hatte, wird nun auch nicht zum Meisterbäcker. (c) www.BilderBox.com
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Nähen, backen, den Sonnengruß üben: Was wir tun könnten, wenn wir es könnten.

Die Gesetzmäßigkeit ist, dass es keine Gesetzmäßigkeit gibt. Warum der eine relativ zufrieden im Garten Unkraut zupfen kann und der andere an die Decke starrt und mit dem Gefühl von Kontrollverlust kämpft. Was Isolation in einem auslöst, ist sehr individuell. Nicht jeder hat die Kraft und die Ideen, aus der Not eine Tugend zu machen. Aber es ist so wohltuend, dass es Menschen gibt, die bunte Masken nähen, die Humor versprühen und Brot backen, sofern sie rechtzeitig Germ gekauft haben.

Nun ist es aber leider so, dass wir in dieser besonderen Situation vielleicht über uns hinauswachsen, neu erfinden können wir uns nicht. Wer vorher kein Händchen für Germ hatte, wird nun auch nicht zum Meisterbäcker. Meistens ist die Germ (so man sie hat) auch nur der Sündenbock, weil es einen in Wahrheit einfach nicht freut, irgendetwas beim Gehen zuzusehen. So wie der angeblich fehlende grüne Daumen auch nur die mangelnde Begeisterung für Erde unter den Nägeln verschleiert und für die Begegnung mit dem Regenwurm.

Wer schon bisher die Königin der nur angefangenen Zehnerblocks für Fitness-Einheiten war, hat nun auch beim Onlineturnen sein altes Ich mit zu stemmen. Das ist zwar topmotiviert, aber das Fleisch bleibt schwach. Deshalb bestehen auch etliche Vorturner auf eine Kamera zurück in die Wohnzimmer. Die kennen unsere Tricks. Dann muss nun auch noch aufgeräumt werden, bevor man als Wal auf der Matte strandet. Das sehen alle, auch wenn die Video-Ästhetik vieles verzeiht.

Sogar schöne Menschen sind via Skype und Zoom bleich und verzerrt, erstarren beim Reden und lösen sich plötzlich in Pixel auf. Das bedeutet, das absolut jeder in Wirklichkeit attraktiver ist, als es das Gegenüber auf dem Bildschirm sieht, dessen Nähe dennoch zum Besten zählt, was es in Zeiten der Distanz gerade gibt.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2020)

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