Analyse

Die Fußballwelt übt die Selbstreflexion

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Fans, Geld, sportlicher Wert – Geisterspiele stellen die Sinnfrage.

Wien. Die Corona-Pause hat eine alte Diskussion im Fußball neu entfacht: Was bedeuten Leidenschaft und Hingabe für das Spiel und für den Verein, was zählen wirtschaftliche Notwendigkeiten in Unternehmen, wie sie die Profi-Klubs heutzutage sind? Und wie lässt sich das vereinen? Sind die angedachten Geisterspiele eine sinnvolle Lösung in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände oder nur eine weitere Entfremdung? Die heimische Bundesliga wird in der Woche nach Ostern zur Fortsetzung der hierzulande vorerst bis Anfang Mai unterbrochenen Saison tagen.

Die Richtung haben Uefa und Fifa vorgegeben. Die Verschiebung der EM-Endrunde auf 2021 und die geplanten Verlängerungen der Gültigkeit von Spielerverträgen über Juni hinaus schaffen Zeit für die Wiederaufnahme des Ligabetriebs. Die Umstände sind dafür nicht so wichtig, das hat der Weltverband mit einer Fußball-WM im Winter 2022 in Katar eindrucksvoll vorgezeigt. Widerspruch wird nicht geduldet. Belgien, das die Liga abgebrochen und Club Brügge zum Meister erklärt hat, ist nach angedrohter Europacup-Sperre durch die Uefa wieder zurück gerudert. Auch ÖFB-Präsident Leo Windtner warnt vor einer „Flut an Klagen“ im Falle eines Abbruchs. Ein solcher Aufstand könnte, wenn überhaupt, nur unter Führung der ganz Großen gelingen: Man stelle sich vor Liverpool, Bayern München und Real Madrid boykottierten Geisterspiele.

Das aber ist nicht zu erwarten und man darf es auch nicht. Denn Profiklubs sind millionenschwere Wirtschaftsunternehmen und als solche ihren Mitarbeitern (weit über den Spielersektor hinaus) und Stakeholdern gegenüber verpflichtet. Die Frage ist lediglich, wie ehrlich das in dieser Form kommuniziert wird – auch gegenüber den eigenen Fans. Volle Stadien und gute Stimmung taugen für das Image, im Kern aber geht es um TV-Verträge, Preisgeld und Prämien. Die Selbstwahrnehmung als systemrelevantes Rad im Wirtschaftskreislauf manifestierte sich in der Ablehnung der Premier League von Gehaltskürzungen mit Verweis auf entfallende Steuerleistungen sowie in der Idee der deutschen Liga-Taskforce, die Profis alle drei Tage auf Corona zu kontrollieren – gut 20.000 Tests, die auf der ganzen Welt Mangelware sind. Das ging Fangruppen von Fortuna Düsseldorf zu weit, sie kritisierten derartige Gedankenspiele in einem offenen Brief scharf. DFL-Chef Christian Seifert beteuerte prompt, dass man nicht auf Kosten des Gesundheitssystems vorgehen werde.

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