Endlose Flüchtlingsströme. Hungersnot. Und Seuchen: Typhus, Tuberkulose, Diphtherie, Ruhr, Fleckfieber. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, war das Sterben nicht vorbei. Über Behandlungsmethoden von ehedem - und die Impfgegner von heute.
Ich bin in wilden Zeiten auf die Welt gekommen. Wien war eine bereits aufgeräumte Stadt, übersät von Ruinen, Schuttbergen und schwer beschädigten Häusern, dennoch überschaubar im Vergleich zu anderen, völlig zerschmetterten Städten Europas. Die Menschen hatten zu essen, die Verwaltung und Versorgung mit dem Nötigsten funktionierten, das Land stabilisierte sich. Aber der Krieg hatte nicht einfach aufgehört. Es herrschte Nachkrieg. Die große Erfolgsstory, von der immer erzählt wird, begann erst in den Fünfzigerjahren.
Europas Demografie war unwiederbringlich zerstört. Endlose Flüchtlingsströme waren quer über den Kontinent mäandert, auf der Suche nach einem sicheren Ort, Essen, einem Dach über dem Kopf, Kleidung, ärztlicher Hilfe. Zehn Millionen geflüchtete und vertriebene Deutsche. Eineinhalb Millionen Schoah-Überlebende, die aus den Sümpfen und Wäldern Polens, Weißrusslands und Litauens hervorgekommen waren, und Hunderttausende befreite KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Verschleppte, Heimatlose warteten als DPs, als Displaced Persons, in provisorischen Unterkünften und Lagern auf eine Zukunft. Europa hatte zwischen 35 und 40 Millionen Menschen verloren, weite Gebiete in Ostpreußen, Schlesien und Pommern waren verlassen, totes Land mit leeren Bauernhöfen. Die Normandie war ein Trümmerfeld. Ein Drittel der deutschen Kinder war vaterlos, Hunderttausende Waisen stromerten wie verwilderte Hunde durch die Städte Italiens und den Balkan, sich selbst überlassen.