Corona Briefing Tag 30

Mit Einparkhilfe in den Baumarkt, mit guten und bösen Mails durchs Osterfest, mit der Prinz-Sebastian-Frisur in die fünfte Woche

APA/dpa/Michael Kappeler
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Über die Auswirkungen der neuartigen Phase in der Coronakrise und Leserpost zu Ostern.

Guten Morgen! Haben Sie mich und dieses Mail vermisst? Schade. Heute beginnt jedenfalls eine weitere für uns alle neuartige Phase in einer für uns neuartigen Lebensphase. Der Handel öffnet teilweise wieder. Laut jüngster Verordnung – an den Begriff gewöhnen wir uns bitte nicht – von Gesundheitsminister Rudolf Anschober dürfen ab sofort Kfz- und Fahrradwerkstätten, Tankstellen-Waschstraßen, Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen, Bau- und Gartenmärkte (unabhängig von der Größe) sowie kleinere Händler – vom Optiker über den Handyshop bis zum Bekleidungs- und Schuhgeschäft – mit einem Kundenbereich unter 400 Quadratmetern wieder aufsperren.

Die Öffnungszeiten sind auf 7.40 Uhr bis 19.00 Uhr beschränkt. Händler, die zu viele Kunden ins Lokal lassen, müssen bis zu 3600 Euro bezahlen. Große Händler, die nicht unter die Verordnung fallen und frühzeitig öffnen, können mit bis zu 30000 Euro belangt werden. Geschlossen bleiben unter anderem Outlets, Einkaufszentren und Möbelhäuser. Auch Hotellerie und Gastgewerbe müssen noch warten. Und Friseure. Es ist nur eine Frage der Zeit bis für Männer nur noch die Frisur-Wahl bleibt: Vokuhila oder Prinz Eisenherz – oder je nach politischem Standpunkt auch: Prinz Sebastian.

Weiters gilt der Mindestabstand von einem Meter auch im Geschäft. Wann kommt endlich eine App ähnlich der Einpark- oder Spurhalt-Hilfe bei PKW, die piepst, wenn man sich zu nahe kommt? Geschäfte bis 400 Quadratmeter, die jetzt aufmachen dürfen, müssen sicherstellen, dass sich pro 20 Quadratmeter nur ein Kunde aufhält. Bei kleineren Geschäften oder auch bei stärkerem Andrang werden Kunden ersucht, wie schon bisher bei Apotheken, draußen zu warten, bis ein anderer Kunde herauskommt und man hinein darf. Das wird viele interessante Szenen geben…

Vertreter größerer Ketten und Einkaufszentren kritisieren, dass es ihnen leichter gefallen wäre, Kunden logistisch mit Ampelsystemen und eigens abgestellten Mitarbeitern zu leiten und trennen. Das klingt ziemlich einleuchtend. Die Wahrheit hinter dem Stufenplan: Krisenstab und Regierung wollten bei der schrittweisen Öffnung einen explosionsartigen Anstieg von Menschenansammlungen und Fluktuation auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln verhindern, daher nun die Öffnung der kleineren. Man hatte auch andere Stufen überlegt, etwa nach Alphabet oder Straßennummern, aber schnell wieder verworfen. Der kleinliche Streit zwischen Großen (Lebensmittelhandel) und geschlossenen Kleinen, wer was nicht verkaufen darf, war zuletzt sehr österreichisch. Egal wer Recht hat, am Schluss gewinnen immer Amazon und Co, wenn sonst keiner die entsprechenden Waren anbieten darf. Das ist ungerecht, aber unsere Realität 2020.

Danke für die vielen Ostergrüße und -wünsche am vergangenen Wochenende. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Mein vor elf Jahren verstorbener Vater hatte zu Lebzeiten seinen Kollegen in der Austria Presse Agentur, die sich über den Mangel an sozialer Wertschätzung und Zuneigung (am Arbeitsplatz) beklagten, gerne empfohlen, sich doch privat einen Hund zuzulegen. Keine Ahnung, ob er diese Geschichte nur gut erfunden hatte oder nicht, ich darf hinzufügen: Newsletter schreiben hilft auch. (Mein Vater tendierte gerne zu Chefredakteursübertreibungen, ein „Burnout“ hat er etwa gerne mit gespielter Verwunderung mit „Brand aus?“ übersetzt.)

Es gab aber natürlich auch andere Mails, die mich als Reaktion auf die Berichterstattung und Kommentare der vergangenen Tage erreichten, eines bezog sich im Betreff auf eben diesen Vater (deswegen der ganze, umständliche Übergang hier.) Unter dem Betreff „Kritik am Sohn eines hervorragenden Journalisten“ schreibt der Leser: „Es muss Ihnen einige Überwindung gekostet haben, um in Ihren Leitartikeln am Samstag und Sonntag Ihre abgrundtiefe Verachtung und Ihren pathologischen Hass auf Herrn Kurz und seine Mitstreiter zu zügeln. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es bleibt ja noch die Endabrechnung, der dies irae Tag des Zornes, den Sie in jedem Beitrag sehnsüchtig erwarten. Ich habe schon den Aufmacher, von einem unfehlbaren Journalisten verfasst, vor Augen. Es sollte doch einmal gesagt werden, dass sich Politiker und viele Beamte geradezu Tag und Nacht über Ihre Leistungsgrenzen hinaus bemühen, die Coronakrise zu bewältigen. Dies mit Gehältern, die vielfach unter jenen eines Chefredakteurs liegen, der sich zudem mit Gastvorträgen für wohlbetuchtes Klientel ein Zusatzeinkommen schaffen kann. Noch dazu, wo Sie, sehr geehrter Herr Chefredakteur, keine wie immer geartete Verantwortung für die Problemlösungen übernehmen. Sie sitzen hinter dem warmen Ofen, freuen sich über die schmierigen Beschimpfungen der Süddeutschen Zeitung, die Sie genüsslich übernehmen, und trauen sich zu, eine komplexe Materie, die auf hohem wissenschaftlichem Niveau kontrovers geführt wird, besser als andere entscheiden zu können…“ Aber immerhin: „Um bei Ihrem zynisch, ironischen Stil zu bleiben: Im Vergleich zu Ihren Kollegen Rauscher/Klenkel (sic!) ist der Einäugige noch immer König. So, jetzt bin ich meinen Osterfrust los.“ Das mit den Gehältern stimmt übrigens leider nicht. Aber Sie können mich wohlbetucht gerne zu einem mehrstündigen Gastvortrag buchen. Nach Corona.

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Das geht natürlich auch in die andere Richtung, wie ein anderer Leser beweist: „Ihre Lobeshymne auf Kurz und seine Arbeitsweise erreicht ja fast die 'Qualität' der Innenpolitik-Berichterstattung im Boulevard. Sie schreiben, im Februar 2020 hat 'die erste (!) wichtige Runde' der Kurz-Regierung zum Thema Coronavirus stattgefunden. Schon im November, spätestens im Dezember hätte eine vorausschauende Regierung und ihr sich ach so umfassend informierender Regierungschef („Kurz fragt, Kurz ruft an, Kurz hört zu“ – geht´s noch unterwürfiger?) bereits Maßnahmen ergreifen können (rechtzeitig Schutzanzüge für medizinisches Personal, Schutzmasken etc. zu besorgen). Da ist es natürlich publikumswirksamer, sich in Erlöser-Positur hinzustellen und – wenn auch zu einem verspäteten Zeitpunkt – richtige Maßnahmen zu ergreifen. In der richtigen Erwartung, dass darauf nicht nur ahnungslose und gutgläubige Wählerinnen und Wähler hereinfallen, sondern auch so genannte kritische Journalisten.“ Tatsächlich wird seit wenigen Tagen neue Kritik an Kurz und Co formuliert: Die Regierung hätte nicht zu früh und zu hart reagiert, sondern zu spät. Im November hätten Hellseher und Nostradamus im Kabinett sitzen müssen…

Sie sehen schon, ich muss erst wieder ins genüssliche Selberschreiben kommen. Morgen widme ich mich Kritik im und am Journalismus. Und wie es im Heimwerkermarkt war. Schönen Osterdienstag.

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