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Neue Serie "Run": Hilfe, die Liebe ist hinter mir her!

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Die Macher von „Fleabag“ erzählen uns in der HBO-Serie „Run“, was passiert, wenn man nach über einem Jahrzehnt seine Jugendliebe wieder trifft. Dann entwickelt sich nämlich keine Romanze, sondern ein Thriller. Zu sehen auf Sky.

„Okay“, sagt Ruby. Aber natürlich ist gar nichts okay. Ihr reicht's. Soeben hat sie versucht, ihre Jugendliebe zu verführen, übereinander herfallen sollten sie im Schlafwagenabteil Richtung Chicago, so wie man das schließlich kennt aus Film und Fernsehen, doch erstens war das Waschbecken im Weg, zweitens ist es gar nicht so leicht, sich zwischen zwei Pritschen einigermaßen effektvoll auszuziehen. Und als sie drittens endlich nackt dalag und ihm sagte, er solle sie jetzt holen – „Come and get me“ –, wich er zurück. Irgendwie passte es halt nicht.

Jetzt stehen die beiden im Gang herum, und die zurückgewiesene Ruby erklärt, sie werde nun eben mit jemand anderem schlafen, dem Ersten nämlich, der aus dem Klo dort drüben komme, und eigentlich findet das Billy eher lustig, bis sich „der Erste“ als ziemlich fescher Kerl mit schwarzem Wuschelhaar entpuppt.

Passiert ist dann aber nix.

„Run“, steht in einem SMS

Nein, eine klassische „Boy meets Girl“-Geschichte ist das nicht, war auch nicht zu erwarten. Produziert hat die Serie „Run“ nämlich Phoebe Waller-Bridge, die 2019 mit der offenherzigen, traurigen und todkomischen Serie „Fleabag“ sechs Emmys gewonnen hat. Für Drehbuch und Regie zeichnet Vicky Jones verantwortlich. Sie hat gemeinsam mit Waller-Bridge „Fleabag“ auf die Londoner Bühne gebracht, denn bevor die Serie international reüssierte, war sie in Großbritannien als Theaterstück der Renner, allem Minimalismus zum Trotz: Waller-Bridge saß einfach nur auf einem Hocker und erzählte von Meerschweinchen, Analsex und dem Tod – bis Amazon kam und sie abwarb.

Die beiden sind nicht nur Arbeitskolleginnen, sie sind auch Freundinnen. Und sie erfanden gemeinsam ein Spiel: Sollte eine von ihnen eine Situation als unangenehm empfinden, würde sie der anderen ein kurzes „Run“ zuflüstern, und beide würden alles liegen und stehen lassen und gemeinsam das Weite suchen.

Treffpunkt: Grand Central Terminal

Der Gedanke an dieses Arrangement sei beruhigend gewesen, aber natürlich, erzählt Vicky Jones, seien sie niemals wirklich geflohen, das wäre denn doch zu peinlich gewesen. Dafür hat ein Autor schließlich Figuren, die er tun lassen kann, was er sich selbst nicht traut. In der ersten Szene sehen wir darum Ruby in ihrem Auto sitzen. Sie parkt vor einem Einkaufszentrum, ganz offensichtlich ist sie genervt von ihrem Leben, das als Höhepunkte Yoga-Klassen bereit hält, als sie ein SMS von Billy erreicht. „RUN“, steht drin. In den folgenden Minuten sehen wir ihr dabei zu, wie sie mit sich ringt, in Merritt Wevers Gesicht spielt es sich ab – von Angst über Neugier bis Überdruss ist alles dabei. Dann sendet sie ein SMS zurück und fährt los in Richtung Flughafen, wo sie noch rasch ihre Yogamatte entsorgt. Der Treffpunkt: New York. Grand Central Terminal.

Was sich daraufhin entwickelt, ist ein Thriller allerfeinster Machart, nur dass es hier, zumindest anfangs, nicht um Geld geht, um Macht, um Leben und Tod, sondern „nur“ um die Liebe. Da wird durch Bahnhöfe gehetzt und Waggontüren schließen zum schlechtesten Zeitpunkt, der Griff der Zugtoilette reißt ab, einer jagt den anderen durchs Bordrestaurant, und die Kamera immer hinterdrein. Inszeniert sind diese Szenen mit der gleichen Atemlosigkeit, die sonst Action-Filme auszeichnet, drängende Musik inklusive. Aber wer jagt hier wen? Und warum? Was spielen die beiden einander eigentlich vor? Geht es Ruby nur darum, auszubrechen aus einem drögen Leben? Flieht Billy (Domhnall Gleeson) vor dem geschäftlichen Ruin?

Raub und Erpressung

Bei aller Rasanz – wie schon bei „Fleabag“ kommt der Witz nicht zu kurz, denn: Was gäbe es Lustigeres als eine Frau, was gäbe es es Komischeres als einen Mann, der glaubt, verliebt zu sein? Oder der es wirklich ist, so recht kann man das nach fünf von acht Folgen, die den Rezensenten von HBO vorab zur Verfügung gestellt wurden, nicht sagen, und das macht einen Reiz der Serie aus.

So ganz zieht Vicky Jones das Konzept allerdings nicht durch, obwohl wir auch gern bis zum Schluss dabei zugesehen hätten, wie die beiden Haschen spielen und dabei immer wieder stehen bleiben, um sich fangen zu lassen. Aber mit Folge drei setzt doch noch eine Art Kriminalhandlung ein, eine mysteriöse Frau kommt ins Spiel, ein Beutel mit Geld wird geraubt, Ruby wird mit einer Tonaufnahme (ja, sie hatten dann doch noch Sex) erpresst, eine seltsame Videosequenz taucht auf . . . Wir sind jedenfalls neugierig, wie es weitergeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2020)

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