Insolvenz. Viele Manager kämpfen um das Überleben ihrer Firmen. Geschäftsführer, die dennoch Konkurs anmelden müssen, haften für Steuerstundungen mit ihrem Privatvermögen.
Wien. Viele Geschäftsführer und Vorstände befinden sich aufgrund der Corona-Pandemie in einem Dilemma. Einerseits kämpfen sie um diverse Staatshilfen und verhandeln mit Banken und Vermietern, damit ihre Gesellschaft überlebt. Andererseits wissen sie, dass ihr Unternehmen nicht durchhalten wird, wenn das Wirtschaftsleben nicht alsbald wieder Fahrt aufnimmt. Aber viele Betriebe wie etwa Restaurants und Cafés wissen auch, dass sie noch länger nicht aufsperren dürfen. „Die Frage, ob sie nicht schon jetzt einen Insolvenzantrag stellen müssen oder ob sie noch zuwarten können, beschäftigt derzeit viele unserer Klienten“, sagt Rechtsanwalt Johannes Mitterecker (Frotz Riedl Rechtsanwälte). Verständlich. Schließlich geht es nicht nur um das Überleben ihres Unternehmens, sondern auch um ihr eigenes Haftungsrisiko. Dieses trifft sie, wenn sie es verabsäumen, die Insolvenz rechtzeitig zu beantragen.
Zwar hat die Regierung mit den diversen Covid-Gesetzen schon Vorkehrungen getroffen, damit Manager nicht so schnell von einer persönlichen Haftung bedroht sind wie unter Normalbedingungen. Jedoch entlasten sie diese Regelungen nur noch bis Ende Juni. Deshalb könnte schon im Juli eine Flut an Insolvenzen drohen. Auch 2009, dem Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise, stiegen in Österreich die Unternehmensinsolvenzen um rund zehn Prozent von 6315 auf 6902 an. Zum Vergleich: 2019 gingen 5018 heimische Firmen in Konkurs. Experten prophezeien, der Anstieg der Pleiten werde nun viel steiler ausfallen als damals. Worauf sollten Manager daher jetzt besonders achten? Ein Überblick.
Wann müssen Geschäftsführer und Vorstände Insolvenz beantragen?
Nach der Insolvenzordnung müssen Schuldner, also die Vertreter eines Unternehmens, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen 60 Tagen, einen Insolvenzantrag stellen. Nur bei Naturkatastrophen galt schon bisher eine Frist von maximal 120 Tagen. „Mit dem 2. Covid-19-Gesetz (es trat am 22. März in Kraft) wurde nun ausdrücklich klargestellt, dass auch die Corona-Pandemie unter den Begriff ,Naturkatastrophe‘ fällt. Schuldner haben daher die Sicherheit, für Insolvenzanträge ab Vorliegen eines Insolvenzgrundes 120 Tage lang Zeit zu haben“, sagt Mitterecker. Allerdings gilt diese lockere Regelung nur dann, wenn die Insolvenz durch die Corona-Krise (zumindest teilweise) verursacht worden ist, sagt der Jurist. Überdies dürfen Entscheidungsträger diese 120-Tage-Frist nur ausnützen, solang Sanierungsmaßnahmen irgendeine Aussicht auf Erfolg haben können. „Ist das nicht der Fall, muss der Insolvenzantrag auch jetzt unverzüglich gestellt werden.“
Was ist derzeit zu tun, wenn das Unternehmen überschuldet ist?
Die Covid-19-Krise wirkt sich erheblich auf die Bewertungen von Unternehmensvermögen aus und wird in den Bilanzen entsprechend Niederschlag finden. Krisenbedingt ist deshalb in vielen Fällen eine rechnerische Überschuldung zu befürchten. Gleichzeitig wird eine verlässliche Fortbestehensprognose angesichts der unsicheren Marktsituation nur schwerlich zu treffen sein, sagt Rechtsanwältin Maria Posani: „Jedoch sollen an sich lebensfähige Unternehmen aufgrund der Ausnahmesituation nicht unter ihrem bisherigen Wert zerschlagen oder veräußert werden. Deshalb hat der Gesetzgeber im 4. Covid-19-Gesetz angeordnet, dass Schuldner bis zum 30. 6. 2020 keinen Antrag auf Insolvenz stellen müssen, weil Überschuldung eingetreten ist. Es sei denn, die Gesellschaft ist zahlungsunfähig.“
Das heißt: Bis Ende Juni läuft für Geschäftsführer und Unternehmer eine Galgenfrist. Solange ihre Firma zahlungsfähig ist, müssen sie nicht fürchten, mit ihrem Privatvermögen zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn sie trotz Überschuldung vorerst keinen Insolvenzantrag stellen. War das Unternehmen jedoch schon vor 1. März 2020 überschuldet, können sie sich nicht auf diese Sonderregelung berufen.
Hilft nicht auch die Abgabenstundung, Pleiten zu vermeiden?
Die Möglichkeit zur Steuer- und Abgabenstundung kann Unternehmen jetzt über die erste schwierige Zeit hinweghelfen. Sie könnte aber zum Bumerang für Geschäftsführer werden, sollte das Unternehmen trotzdem pleitegehen, warnt Steuerberater Gerhard Rein.
Angenommen, eine GmbH lässt heuer im Frühjahr ihre kompletten Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Finanzverwaltung und der Österreichischen Gesundheitskasse stunden. Die laufenden Zahlungen gegenüber Mitarbeitern und Lieferanten werden dagegen weiterhin geleistet, in der Erwartung, dass spätestens im Herbst das Geschäft wieder anspringt. Aber die Umsätze entwickeln sich weiterhin schwach, letztlich muss ein Insolvenzantrag gestellt werden, und es kommt zu einem Sanierungsverfahren mit einer Quote von 20 Prozent. „Dann muss man als GmbH-Geschäftsführer damit rechnen, von der Finanzverwaltung und der Gesundheitskasse einen Haftungsbescheid zu bekommen, wonach man die im Frühjahr 2020 gestundeten Abgaben aus seinem Privatvermögen zu bezahlen hat“, warnt Rein. Die Finanzverwaltung habe ihm auf Nachfrage bereits bestätigt, dass sie in solchen Fällen Haftungsbescheide ausstellen würde. „Unsere Kanzlei ist deshalb mit Stundungsansuchen für Klienten eher zurückhaltend“, sagt Rein.
Wann genau droht einem GmbH-Geschäftsführer diese Haftung?
Konkret dann, wenn solche Abgaben durch sein Verschulden uneinbringlich wurden. Dafür gibt es spezifische Regelungen, deshalb sei davon auszugehen, dass die Haftung des Geschäftsführers für die Entrichtung von Abgaben und ASVG-Beiträgen grundsätzlich strenger ausgestaltet ist als bei anderen Verbindlichkeiten, warnt die Wirtschaftskammer auf ihrer Homepage. Haftungsgrundlage ist eine allfällige Ungleichbehandlung der Gläubiger: Der Geschäftsführer darf den Fiskus bzw. die Gesundheitskasse nicht schlechter stellen als irgendeinen anderen Gläubiger der Gesellschaft. Solange man z. B. den Mitarbeitern die Löhne zahlt, muss man auch die Lohnabgaben abführen.
Durch die Stundung wird diese Zahlungspflicht zwar zeitlich nach hinten verschoben, irgendwann wird das Unternehmen aber zusätzlich zur Entrichtung der laufenden Abgaben auch die gestundeten nachzahlen müssen – das muss es sich dann auch leisten können. Geht es pleite, muss der Geschäftsführer beweisen können, dass ihn an der Nichtzahlung der Abgaben kein Verschulden trifft und dass kein einziger anderer Gläubiger bevorzugt behandelt wurde. Ob dann die besondere Situation durch die Corona-Krise als Entschuldigungsgrund akzeptiert würde, ist nicht absehbar. Haftet der Geschäftsführer tatsächlich, bleibt ihm als Ausweg schlechtestenfalls nur der Privatkonkurs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2020)