Marathon-Pressekonferenz

„Wir haben keinen König in den USA“

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Verfassungsstreit. Clash zwischen Donald Trump und den demokratischen Gouverneuren um Andrew Cuomo über die Autorität, das Land „aufzusperren“.

Wien/Washington. Donald Trumps zweistündige Marathon-Pressekonferenz vom Ostermontag übertraf für Jon Sopel alles, was er bisher vom US-Präsidenten und seinen Vorgängern erlebt hatte – selbst die sich windende Darstellung Bill Clintons 1998 in der Lewinsky-Affäre. Er werde eine Menge Gin Tonic benötigen, um all dies hinunterzuspülen, schrieb der BBC-Bürochef.

Die PR-Show des Präsidenten samt Videoclips von Lobeshymnen, von aus dem Kontext gerissenen Journalistenzitaten über sein Krisenmanagement und der Medienschelte für kritische Reporter könnte aber verblassen gegen einen Machtkampf, den Trump gegen mehrheitlich demokratische Gouverneure entfesselt hat.

Er kündigte an, bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens und der Wiederöffnung der Wirtschaft habe er als Staatschef allein das Sagen. „Ich habe das Heft in der Hand“, betonte er via Twitter, wie um seinen Anspruch auf die „totale Autorität“ zu bekräftigen.

Prompt regte sich Widerstand, zuallererst von Andrew Cuomo. Sollte der Präsident eine derartige Maßnahme anordnen und dies den Interessen New Yorks zuwiderlaufen, werde er sich widersetzen, erklärte der Gouverneur von New York. Cuomo, der aktiv die Kooperation mit dem Weißen Haus gesucht hat, avanciert in der Coronakrise indes eher ungewollt zunehmend zum Widersacher des Präsidenten. „Halten wir die Politik draußen. Es gibt keine toten Demokraten oder tote Republikaner, nur tote Amerikaner.“ Trump sprach indessen halb ironisch von einer „Meuterei“ gegen ihn. „Die Meuterei auf der Bounty ist einer meiner Lieblingsfilme.“

Föderalistisches Prinzip

„Wir haben eine Verfassung in den USA. Wir haben keinen König“, wiederholte Cuomo und verwies auf die Debatte, die die Gründerväter George Washington, Thomas Jefferson oder Alexander Hamilton geführt hatten, um eine Monarchie oder eine Diktatur zu vereiteln. Unter Hinweis auf den Zusatz 10 zur Verfassung zitierte er das föderalistische Prinzip der Vereinigten Staaten von Amerika, wo Katastrophenhilfe oder die Proklamation eines Ausnahmezustands zunächst die Sache der Bundesstaaten seien – und Assistenz der Regierung in Washington erst sekundär ist.

Die Gouverneure hatten zuerst, jeder für sich, Ausgangsbeschränkungen und Quarantäne-Bestimmungen für ihre Bundesstaaten verhängt. Trump weigerte sich zudem, das ganze Land unter Quarantäne zu stellen. Unter dem Druck der Wirtschaft und der Wall Street versucht er jetzt, möglichst rasch zur Normalität zurückzukehren. Nachdem der Ausnahmezustand am 30. April endet, ist das angepeilte Datum für die graduelle Öffnung der 1. Mai. Für Donnerstag setzte Trump eine Videokonferenz der G7-Führer zur Abstimmung in der Coronakrise an.

Zuvor hat er im Weißen Haus noch mehrere Patienten empfangen, die die Virunsinfektion überstanden haben. „Ich hatte Angst um mein Leben“, berichtete eine demokratische Abgeordnete aus Michigan. Und Trump versuchte Trost zu spenden angesichts der „gemeinen Seuche“.

Im ganzen Land erwecken die Warteschlangen von Arbeitslosen Vergleiche mit der Depression der 1930er-Jahre, die Quartalszahlen der Unternehmen dürften den Präsidenten weiter alarmieren. Je länger die Krise dauert, desto mehr muss Trump um seine Wiederwahl im November bangen. Während die Wall Street auf eine rasche Erholung der Wirtschaft hofft, glauben viele Ökonomen eher an eine langsame Genesung – wie bei einer U-Kurve.

Trump stellt inzwischen ein Team zusammen, das ihn bei der „größten Entscheidung“ seines Lebens, dem „Wiederaufsperren“ des Landes, berät. Ihm gehört eine Reihe von Ministern an wie Finanzminister Stephen Mnuchin oder Wirtschaftsminister Wilbur Ross, Wall-Street-Tycoons und auch Anthony Fauci, der berühmt und populär gewordene Chefexperte des Krisenstabs.

„Nicht wie bei Lichtschalter“

Fauci warnte, das Aufsperren funktioniere nicht wie bei einem Lichtschalter. Den Stichtag 1. Mai hält er für „allzu optimistisch“. Unter der Devise „Time to fire Fauci“ fordern manche Republikaner seinen Rücktritt, weil er Trump mehrfach öffentlich widersprach - was der Präsident gar nicht goutiert. Noch aber hält Trump an ihm fest: „Ich mag  ihn. Ein wunderbarer Kerl."

Währenddessen haben sich die Gouverneure der Staaten an der Ost- und Westküste jeweils zum gemeinsamen Vorgehen zusammengeschlossen – mit einer Ausnahme sind es allesamt Demokraten. Cuomo führt die Neuenglandstaaten an, Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom die Staaten im Westen.

Und noch eine Allianz formiert sich: Nach Joe Bidens Triumph bei der chaotischen Vorwahl in Wisconsin gab Bernie Sanders eine explizite Empfehlung für den Obama-Vize ab. „Wir brauchen dich im Weißen Haus.“ Als Draufgabe sprach sich auch Barack Obama für seinen früheren Vize aus - was niemanden wunderte, am wenigsten Trump. Doch für ihn muss dies alles anmuten, als hätten sich – fast – alle und alles gegen ihn verschworen. Wie zum Hohn feixte Biden: „Ich bewerbe mich nicht um das Amt des Königs von Amerika.“

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