Zahlreiche Juristen stoßen sich an den türkis-grünen Corona-Regeln. Kanzler Kurz will sie nicht ändern, der Gesundheitsminister holt sich indes Rat von Experten.
Bestimmte Branchen wie Garten- und Baumärkte sowie kleinere Geschäfte dürfen seit Dienstag wieder öffnen - so hat es die Bundesregierung entschieden. Eine Regelung, die von Juristen äußerst skeptisch gesehen wird, orten sie doch Verstöße gegen die Verfassung - trifft dies zu, könnte das ein teures Nachspiel haben. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich von der Kritik am Dienstag unbeeindruckt: Eine „Reparatur" der eilig beschlossenen Covid-19-Gesetze- und Verordnungen sei nicht geplant. Das letzte Wort werde freilich der Verfassungsgerichtshof haben, aber: Bis es soweit sei, „werden sie nicht mehr in Kraft sein“.
Etwas anders klang wenige Stunden später Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). In der ORF-Nachrichtensendung „ZiB 2" erklärte er am Dienstagabend, er haben bereits eine Experten-Gruppe zu sich ins Ministerium gebeten. Diese solle allfällige Unschärfen in Gesetzen, Verordnungen und Erlässen beraten, die man dann auch „selbstverständlich" bereinigen würde.
Ex-Minister als Ratgeber
Zu dieser Gruppe, die am Donnerstag wieder zusammentreten soll, gehört der ehemalige Verwaltungsgerichtshof-Präsident und Interims-Justizminister Clemens Jabloner. Dazu wurden Verfassungsexperten und Chefjuristen aus den Ministerien nominiert, berichtete Anschober. Gleichzeitig warb er um Verständnis dafür, dass es bei der Bekämpfung der Pandemie enormen Zeitdruck gebe. Es habe sich mitunter um einen Wettlauf gegen die Zeit gehandelt.
Nicht näher treten wird der Gesundheitsminister dem Vorpreschen des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser (SPÖ), wonach man wegen der Corona-Krise beschlossene Restriktionen regional in unterschiedlichem Tempo zurücknehmen könnte. Er halte das für einen interessanten Vorschlag, aber nicht für eine Idealmaßnahme, sagte dazu Anschober. Es sei ohnehin schwierig genug zu verstehen, wo was gelte. Differenziere man da auch noch regional, werde es noch schwieriger. Er habe mit den Landeshauptleuten (video)konferiert und alle zögen an einem Strang.
Edtstadler: Verfassungsdienst wegen Zeitdrucks nicht eingebunden
Anschobers Vorgehen wurde am Mittwoch von seiner Ministerkollegin im Kanzleramt, Karoline Edtstadler, gelobt. Sie bat dennoch um Verständnis für das rasche Handeln der Regierung in der Krisensituation: „Besser machen kann man es immer, aber die Situation ist eine außergewöhnliche gewesen.“
Dem Verfassungsdienst im Kanzleramt sei es wegen des hohen Zeitdrucks nicht möglich gewesen, Stellungnahmen zu den Vorhaben der anderen Ministerien abzugeben. Die inhaltliche Verantwortung liege daher beim jeweiligen Ressort, das Gesetzesvorhaben einbringe.
(hell/APA)