Streit mit Trump

WHO-Chef kontert Trump: "Konzentiert darauf, Leben zu retten"

Archivbild einer WHO-Pressekonferenz - in der Mitte der WHO-Direktor, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Archivbild einer WHO-Pressekonferenz - in der Mitte der WHO-Direktor, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus.APA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Tedros geht allerdings nicht konkret auf Trumps Zahlungsstopp ein. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, twittert der WHO-Chef. Weltweit hagelt es Kritik am US-Präsidenten.

Nach der Kritik von US-Präsident Donald Trump und dem von ihm veranlassten Zahlungsstopp an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) inmitten der Corona-Krise hat WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus erstmals Stellung bezogen. "Die WHO konzentriert sich einzig und allein darauf, allen Menschen zu dienen, um Leben zu retten und die Covid-19-Pandemie zu stoppen", schrieb Tedros am Mittwoch auf Twitter.

"Wir haben keine Zeit zu verlieren", fügte der WHO-Chef hinzu. Trump hatte zuvor am Dienstag den Stopp der US-Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation verkündet. Er warf der WHO "Missmanagement" in der Corona-Krise vor. So habe die Organisation von Einreisesperren abgeraten und die tatsächliche Lage in China als Ursprungsort des Virus nicht ausreichend untersucht. "Tausende Menschenleben" hätten gerettet und schwerer wirtschaftlicher Schaden vermieden werden können, wenn die WHO besser gearbeitet hätte, sagte Trump.

Weltweite Kritik

Trumps WHO-Boykott hat am Mittwoch international für heftige Kritik gesorgt. UNO, EU, Russland und China sowie zahlreiche weitere Staaten bedauerten den Schritt. Die türkis-grüne Bundesregierung in Wien schloss sich nicht an, sie enthielt sich eines offiziellen Kommentars.

Es gebe dazu keine Stellungnahme von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), hieß es aus dem Außenministerium. Am vergangenen Sonntag hatte die türkis-grüne Bundesregierung mitgeteilt, dass aus dem Auslandskatastrophenfonds Gelder zur Verfügung gestellt würden, die unter anderem der WHO zur Bekämpfung von Covid-19 zugutekommen sollen.

Eine Stellungnahme zur Trump-Entscheidung gab es aber aus den Reihen des Partners der ÖVP in der Regierung, den Grünen. "Wenn die USA in der jetzigen Situation ihre Zahlungen an die WHO einstellen, dann ist das, als würde man die Feuerwehr von einem Brand abziehen", kritisiert die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. "In Zeiten der Krise ist die internationale Kooperation gerade im Gesundheitswesen der Schlüssel zum Erfolg. Der von der Trump-Administration gesetzte Schritt ist schlicht unverantwortlich." Diese Krise sei eine globale und lasse sich daher nur weltweit und mit vereinten Kräften bekämpfen. Die WHO sei am besten geeignet, diese globale Anstrengung zu organisieren und habe bisher auch wertvolle Arbeit in der Koordination weltweiter Maßnahmen geleitet.

Die Vorwürfe des amerikanischen Präsidenten, die WHO hätte zu spät auf die Krise reagiert, seien an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten, meint die grüne Vizeklubchefin, und erinnert daran, dass Trump noch von einem "sehr kleinen Problem" gesprochen habe, als die WHO die Corona-Krise bereits als "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" bezeichnet hat. Auch wenn dieser Akt als Ablenkungsmanöver von innenpolitischen Niederlagen gewertet wird, ist er von internationaler Tragweite, ließ Ernst-Dziedzic per Aussendung wissen. Da die USA der größte Beitragszahler der WHO sind, werden die finanzielle Ausdünnung vor allem ärmere Länder zu spüren bekommen. Ihre Bemühungen zur Eindämmung der Pandemie werden damit erheblich erschwert.

EU bedauert Trumps Entscheidung

Die EU bedauere Trumps Entscheidung zutiefst, erklärt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell per Twitter. Es gebe keinen Grund, der diesen Schritt zu einem Zeitpunkt, da die Bemühungen der WHO nötiger seien denn je, rechtfertige. UNO-Generalsekretär António Guterres erklärte, es sei "nicht die Zeit, die Ressourcen für die Weltgesundheitsorganisation oder einer anderen humanitären Organisation im Kampf gegen das Virus zu reduzieren."Zudem hielt Guterres fest: "Jetzt ist die Zeit für die internationale Gemeinschaft gekommen, solidarisch zusammenzuarbeiten, um dieses Virus und seine niederschmetternden Folgen zu stoppen."

Russland kritisierte den Stopp als egoistisch. "Das ist der Ausdruck eines äußerst egoistischen Herangehens der amerikanischen Regierung gegenüber dem, was in der Welt im Zusammenhang mit der Pandemie geschieht", sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch der Staatsagentur Tass zufolge. Er rief dazu auf, "weitere Angriffe" auf die WHO zu unterlassen.

Die chinesische Regierung zeigte sich "ernsthaft besorgt". Die weltweite Lage in der Corona-Krise sei "düster", die Welt befinde sich an einem "entscheidenden" Punkt, sagte Außenministeriumssprecher Zhao Lijian am Mittwoch in Peking. In dieser Situation schwäche die Entscheidung der US-Regierung die WHO und untergrabe die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Pandemie. China fordere die USA auf, "ihre Verantwortung und Verpflichtungen ernsthaft zu erfüllen" und den von der WHO angeführten internationalen Einsatz im Kampf gegen das Virus zu unterstützen, sagte Zhao. Die Weltgesundheitsorganisation sei dabei "unersetzlich".

Deutschland setzt auf internationale Zusammenarbeit

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies der Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine hohe Bedeutung zu. Es sei wichtig, die WHO ausreichend zu finanzieren, sagt ihr Sprecher Steffen Seibert. Außenminister Heiko Maas schlug ähnliche Töne an: "Eine der besten Investitionen im Kampf gegen die Pandemie ist es, die Vereinten Nationen, allen voran die unterfinanzierte Weltgesundheitsorganisation, zu stärken", sagte der SPD-Politiker. Als Beispiele nannte er die "Entwicklung und Verteilung von Tests und Impfstoffen". Es müsse bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie eine enge internationale Zusammenarbeit geben. "Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen in der Coronakrise nicht", betonte Maas. Das Virus kenne keine Grenzen.

Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern sagte: "In einer Zeit wie dieser, in der wir Informationen austauschen müssen und Ratschläge benötigen, auf die wir uns verlassen können, hat die WHO dies bereitgestellt. Wir werden sie weiterhin unterstützen und weiterhin unsere Beiträge leisten". Ihr australischer Amtskollege Scott Morrisson erklärte, er sympathisiere mit Trumps Kritik an der WHO, insbesondere mit ihrer Unterstützung für die Wiedereröffnung der Märkte in China, wo frisch geschlachtete Tiere verkauft werden und wo der Ausbruch Ende 2019 erstmals in der Stadt Wuhan auftrat. "Trotzdem leistet die WHO auch als Organisation eine Menge wichtiger Arbeit, auch hier in unserer Region im Pazifik, und wir arbeiten eng mit ihnen zusammen", sagte Morrison. "Wir werden das Kind hier nicht mit dem Bade ausschütten, aber sie sind auch nicht immun gegen Kritik und immun dagegen, Dinge besser zu machen."

US-Seuchenbehörde kritisiert Trump

Der US-Zahlungsstopp stieß aber auch in den Vereinigten Staaten selbst auf Kritik. Das amerikanische Zentrum für Infektionskontrolle (CDC) arbeite sehr produktiv und gut mit der WHO zusammen, sagte der Direktor der US-Seuchenbehörde, Robert Redfield, am Mittwoch dem Sender ABC. Redfield kündigte an, dass seine Organisation dies auch weiter tun werde. "Der Schritt sendet die falsche Botschaft mitten in der Pandemie", kritisierte auch Amesh Adalja, ein Infektionsexperte der amerikanischen Johns Hopkins Universität, die weltweit die Daten der Corona-Infizierten erhebt. Die WHO mache tatsächlich Fehler. Aber diese sollte man nach dem Ende der Pandemie aufarbeiten.

Kritiker Trumps sehen im Druck des Präsidenten auf die WHO einen Versuch, von seinen eigenen Versäumnissen in der Corona-Krise abzulenken. Dem US-Präsidenten wird vorgeworfen, die Virus-Gefahr lange kleingeredet zu haben. Wochenlang hatte er versichert, die Lage sei in den USA unter Kontrolle.

Inzwischen sind die USA das weltweite Zentrum der Corona-Pandemie. Am Dienstag meldete die Johns-Hopkins-Universität einen Rekordanstieg um mehr als 2200 Todesfällen binnen 24 Stunden. Landesweit starben inzwischen mehr als 25.700 Menschen an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. Mehr als 605.000 Menschen sind infiziert. Trotzdem hält Trump eine baldige Rückkehr zur Normalität in Teilen des Landes für möglich: Weniger dicht besiedelte US-Staaten könnten "vor Ende des Monats" den Stillstand beenden.

(APA/AFP/Reuters)

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