Fahrbericht

Audi A4: Wenn das SUV-Fieber vorbei ist

Gibt es tatsächlich noch, das Zusammenspiel von Eleganz und Nutzwert: Audi A4 allroad, hier mit ebenso charismatischem wie kräftigem V6-Diesel.
Gibt es tatsächlich noch, das Zusammenspiel von Eleganz und Nutzwert: Audi A4 allroad, hier mit ebenso charismatischem wie kräftigem V6-Diesel.(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Den Verirrungen des eitlen Hochbaus auf unseren Straßen setzt man am besten ein Format entgegen, das auf altbewährte Weise alles besser kann: der gute Kombi, als Audi A4 in der Edelvariante allroad mit Sechszylinder-Freuden.

Wien. Autos waren immer schon eine Welt, in der das Irrationale seine Ländereien pflegt. Das ist einerseits schön, weil es aus Transportmitteln zuweilen Kunstwerke machte. Kein Auto braucht Leitwerke wie ein Flugzeug, aber wer würde nicht auf die Heckflossen eines 1959er Cadillac Eldorado abfahren?

Weniger schön ist die Verhüttelung unserer Straßen, wie sie der SUV-Boom herbeigeführt hat. Ob die Straßenpanzer nun angeschafft werden, um die Unsicherheit ihrer Halter zu kompensieren oder den persönlichen Auftritt mit ein bisserl Protz zu unterlegen – die kulturkritische Motivsuche wollen wir uns verkneifen. Doch soll das allgemeine Innehalten genutzt werden, um mit ein paar Missverständnissen aufzuräumen. Sie begegnen uns immer dann, wenn das Irrationale mit Vernunftgründen erklärt werden soll. Für dieses Vorhaben ist nichts besser geeignet als der Vergleich mit einem sogenannten konventionellen Format: dem guten, alten Kombi. Der neue A4 allroad soll uns als Vehikel dienen.

Dezenter Hochbau um 35 Millimeter: Audi A4 allroad.
Dezenter Hochbau um 35 Millimeter: Audi A4 allroad.Clemens Fabry

Audi gehört zu den traditionsreichen Kombi-Marken und hat vor 20 Jahren die Kombi-Sonderform allroad eingeführt. Im Fall des erneuerten A4 bedeutet das dezentes Höherlegen (um 35 Millimeter) für mehr Bodenfreiheit, Allradantrieb samt breiterer Spur als Grundausstattung und stilistische Akzente, die auf die Eignung für unbekümmertes Befahren von Forststraßen hindeuten: beplankte, herausgestellte Radläufe, angedeuteter Unterfahrschutz.  Denken wir uns Audis Q5 als entsprechendes SUV-Format an seine Seite.

Punkt eins: SUVs bieten nicht „mehr Auto“, sondern bloß mehr Masse. Wenn es um den Radstand als Kriterium für Platz an Bord geht, so hat der Audi Q5 exakt einen Millimeter mehr als der A4 zu bieten. Die zehn Prozent (oder 50 Liter) mehr Ladevolumen des Q5 sind allein in der Bauhöhe verortet, wo sie in der Regel nicht genutzt werden können. Geht es um die Länge des Laderaums, so ist der Kombi im Vorteil (1000 statt 982 mm). Was von der höheren SUV-Masse bleibt, ist mehr Fahrzeuggewicht und Luftwiderstand, mithin mehr Verbrauch und CO2-Ausstoß. Hat man vielleicht schon gehört. Plus größere Räder (mehr Abrieb, mehr Verbrauch), weil zivile Formate (wie die 18-Zöller des allroad) in den riesigen Radhäusern verloren aussähen. Mehr Bauraum zieht schließlich Dröhngeräusche an, die mit viel Dämmmaterial gedämpft werden müssen.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Punkt zwei: SUVs bieten nicht mehr Komfort, sondern weniger. So wie es einen in den meisten SUVs auf holprigen Wegen herumschupft, wäre das in einem kultivierten Kombi undenkbar. Der Grund dafür sind die langen Federwege von SUVs, die mit einer strafferen Feder-/Dämpferabstimmung kompensiert werden müssen, um halbwegs wank- und nickfreies Kurvenfahren zu gewährleisten. Das Argument des bequemeren Ein- und Aussteigens kann eigentlich nur für die Kniemaroden und Rückenkranken des Landes gelten. Denen wäre zuallererst ein guter Physiotherapeut angeraten.

Hochwertige Ausführung, Klima immer noch analog zu betätigen: A4-Cockpit.
Hochwertige Ausführung, Klima immer noch analog zu betätigen: A4-Cockpit. Clemens Fabry

Punkt drei: SUVs bieten nicht mehr Übersicht, sondern weniger. Man mag das Gefühl genießen, über den anderen zu thronen, aber die Karosserie-Übersichtlichkeit leidet empfindlich; ohne Rundum-Kameras hat man keine Ahnung, wo das eigene Fahrzeug beginnt und endet. Viel Spaß, wenn diese unerlässlichen Helferleins einmal defekt oder beschädigt sind.

Punkt vier: Es hat Gründe, warum SUVs durchwegs mit Abenteuer-Klischees beworben werden. Praktischer Nutzen und Fahrspaß können es nicht sein, denn SUVs sind naturgemäß träger und behäbiger als schlankere Formate. Wie gediegen der A4 allroad dagegen auf der Straße liegt, wie flott und lustvoll man ihn durch Kurven treiben kann, das sind echte kleine Alltagsfluchten, die SUV-Fahrern verwehrt bleiben. Ebenso wie Verbrauchswerte, wie wir sie mit einem prächtigen Sechszylinder herausgefahren sind. Weil der Kombi-Zuschnitt so viel effizienter ist, sind 7,1 Liter (Langzeit) trotz 231 PS kein Mirakel.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Audi A4 allroad 45 TDI quattro

Maße L/B/H 4762/1847/1493 mm. Radstand 2818 mm.

Leergewicht (EU) 1810 kg. Ladevolumen 495 bis 1495 Liter.

Motor V6-Zylinder-Turbodiesel, 2967 ccm. Leistung max. 170 kW (231 PS) bei 3250–4750/min. Drehmoment max. 500 Nm bei 1750–3250/min.

Testverbrauch 7,4 l/100 km.

Allradantrieb permanent. Achtgang-Automatikgetriebe (Wandler).

Preis ab 59.587 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2020)

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