Michael Joannidis
Intensivmedizin in Österreich

Vom Leben und Sterben hinter der Sicherheitsschleuse

Das Coronavirus stellt Intensivstationen ins Scheinwerferlicht. Ärzte und Pfleger kämpfen dort um das Leben von Patienten, ihre Tätigkeit hat sich dabei dauerhaft verändert. Obwohl die Krise vorerst überwunden scheint, gibt es Kritik. Denn die hohe Bettendichte im Land rettet Leben, ist aber nicht effizient.

Ein Arbeitstag, der erst beginnt, wenn man es auf die andere Seite geschafft hat. Behutsam wird zunächst – streng nach schriftlicher Anleitung – jedes Utensil nach der Reihe angezogen: Weiße Schutzhaube, Brille, FFP3-Maske und eine doppelte Schicht Gummihandschuhe. Sobald die Montur den Leib von Kopf bis Fuß bedeckt, darf die Sicherheitsschleuse passiert werden. Doch wer durch sie hindurchgeht, kommt erst Stunden später wieder heraus. Der Weg auf die Toilette oder zu einem Wasserglas ist in der Zwischenzeit verstellt. Dafür bleibt ohnehin meist keine Zeit.

Erst wer Ärzten und Pflegern der Intensivstationen des Landes zugehört hat, füllt das abstrakte Bild, das der ritualisierte TV-Corona-Zwischenstand allabendlich durch die Wohnzimmer flimmert, allmählich mit konkreten Inhalten. Plötzlich wird es lebhaft vorstellbar, wie klitschnass die Haut unter der Schicht an Schutzmaterial, wie beschwerlich der Weg von Zimmer zu Zimmer, wie belastend der Anblick von Menschen sein muss, die sich über Tablets oder Handys von ihren Familien verabschieden, bevor sie intubiert und – wenn alles gut geht – zwei Wochen später aus der Narkose wieder aufwachen.

Sein Arbeitsalltag habe sich „von Grund auf verändert“, erzählt Leo Rosenthaler. Der 41-Jährige betreut als Krankenpfleger auf der Covid-Intensivstation im Krankenhaus Hietzing derzeit fünf Covid-Patienten. Das Spital im 13. Wiener Bezirk versorgt neben dem Kaiser-Franz-Josef-Spital die meisten Wiener Fälle. „Momentan ist der Pflegeaufwand so hoch, dass wir fast bei einer Eins-zu-Eins-Betreuung liegen“, erzählt auch Theresa Krabichler, die im St. Vinzenz-Krankenhaus in Zams mit Kollegen aktuell elf Covid-Patienten betreut. Im Schnitt müsse sie sich um zwei Patienten pro Tag kümmern. Dabei verbringt die junge Frau fünf bis sechs Stunden hinter der Sicherheitsschleuse, bevor sie erstmals Pause machen und sich „ausschleusen“ und etwas trinken kann.

Die Zammer Krankenpflegerin Theresa Krabichler bei der täglichen Prozedur vor der Sicherheitsschleuse.
Die Zammer Krankenpflegerin Theresa Krabichler bei der täglichen Prozedur vor der Sicherheitsschleuse.(c) KH Zams

Aufgrund der limitierten Menge an Schutzmaterial sei es nötig, den Isolationsbereich so selten wie möglich zu verlassen. Die Situation sei „auf alle Fälle belastend“, sagt Krabichler. „Vor allem durch die Schutzausrüstung ist es einfach sehr heiß.“ Der Ausgleich am Abend mit Freunden und Familie fällt zudem flach. Sie tausche sich jetzt vermehrt mit Kollegen aus, sagt die Pflegerin. Die psychologische Hilfe, die im Spital angeboten wird, habe sie bisher nicht in Anspruch genommen.

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