Pharmazie

Wenn das Heilmittel zum Brustkrebsrisiko wird

Isoflavone, welche natürlicherweise etwa in Soja vorkommen, könnten das Wachstum noch unentdeckter Tumore begünstigen.
Isoflavone, welche natürlicherweise etwa in Soja vorkommen, könnten das Wachstum noch unentdeckter Tumore begünstigen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nahrungsergänzungsmittel gegen Menopause-Symptome hemmen den Abbau von Östrogen – ein Risikofaktor für Brustkrebspatientinnen, wie Forschende der Uni Wien zeigen. Für manche Stoffe gibt es aber Entwarnung.

Wären Pflanzenextrakte moralische Akteure, es wäre eine echte Gemeinheit: Gerade jene Inhaltsstoffe, die Beschwerden von Frauen in den Wechseljahren lindern können, sollen Brustkrebsbeschleuniger sein. Davor warnte schon 2015 das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung auf Basis einer europäischen Studie zu Isoflavonen, hormonähnliche Pflanzenstoffe, die oft als Abhilfe bei Hitzewallungen und Schlafstörungen empfohlen werden. Als problematisch bewerteten die deutschen Verbraucherschützer damals eine Einnahme rund um das Einsetzen der Menopause, da sich in diesem Alter auch die hormonabhängigen Brustkrebserkrankungen häufen.

Hormon bleibt gefährlich

Isoflavone, welche natürlicherweise etwa in Soja vorkommen, könnten das Wachstum noch unentdeckter Tumore begünstigen. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt haben sich Wissenschaftler der Universität Wien den Zusammenhang im Labor angeschaut. „In unserer Studie konnten wir zeigen, dass Isoflavone den Abbau von körpereigenen Östrogenen in Krebszellen hemmen“, so der klinische Pharmazeut Walter Jäger, der das Projekt leitet.Eigentlich werden diese in den Zellen verstoffwechselt: Sulfotransferasen wandeln aktives Östrogen in ungefährliches Östrogensulfat um. „Diese Depot-Form bedeutet dann zunächst kein Risiko mehr für die Krebspatientin“, so der Wissenschaftler. Die Einnahme der Pflanzenstoffe, egal ob als Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke oder direkt mit der Sojabohne, könnte diesen Prozess jedoch behindern. Das Hormon bliebe in seiner aktiven Form und könnte so das Wachstum der Tumorzellen begünstigen. Jäger und sein Team raten daher Patientinnen mit Brustkarzinomen explizit von der Einnahme isolierter Isoflavone ab. Auch ein hoher Konsum von Produkten aus Soja könnte für diese Frauen ein Risiko darstellen.

Um die Menge der verschiedenen Abbauprodukte des Östrogens in den Tumorzellen zu bestimmen, nutzen die Pharmazeuten ein massenspektroskopisches Verfahren. „Die verschiedenen Formen des Sexualhormons und seiner Metaboliten, sprich seiner Stoffwechselprodukte, unterscheiden sich bis auf ihr Molekulargewicht kaum“, so der Projektleiter, „deswegen ist die Massenspektroskopie die einzig wirksame Methode, um sie quantitativ nachzuweisen.“ Im Zuge des Projekts nahmen sich die Forscher weitere gängige Ergänzungsmittel vor. Resveratrol zum Beispiel, welches in Weintrauben vorkommt.

Langzeitstudien sinnvoll

„Wie auch bei den Isoflavonen konnten wir einen Anstieg von aktivem Östrogen in Krebszellen beobachten. Der Abbau wurde durch die Hemmung zahlreicher Enzyme gestoppt. Jedoch gibt es keine Hinweise darauf, dass die in Österreich vertriebenen Mittel ein Gesundheitsrisiko darstellen“, so der Wissenschaftler. Die Dosis sei zu gering. Im Ausland oder Internet erhältliche Produkte könnten von dieser Entwarnung ausgenommen sein. Die Auswertung eines Phytoöstrogens der Traubensilberkerze läuft noch – doch ließe sich auch hier bereits Entwarnung geben, da die Extrakte im Vergleich zu den in Soja enthaltenen Pflanzenstoffen sehr niedrig dosiert seien.

Den Verdacht, welcher von Verbraucherschützern seit spätestens 2015 dokumentiert ist, unterfütterten die Forscher nun mit Daten. Doch auch sie warnen, dass nur Langzeitstudien in vivo, also im menschlichen Körper, für Sicherheit sorgen können. Außerdem sollten einzelne Lebensmittel nicht in Verruf geraten. Jäger: „Natürlich kann man weiter Sojaprodukte als Teil gesunder Ernährung konsumieren. Gehört man allerdings zur Risikogruppe oder weiß von Brustkrebsfällen in der Familie, ist eine Absicherung seitens des Arztes empfehlenswert.“

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