Ringvorlesungen

Vorlesungsreihen werden virtuell

Die Hörsäle müssen noch leer bleiben, auch Ringvorlesungen weichen ins Internet aus - oder auf spätere Termine.
Die Hörsäle müssen noch leer bleiben, auch Ringvorlesungen weichen ins Internet aus - oder auf spätere Termine.Getty Images
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Ein Thema einkreisen, umringen – das ist das Ziel dieser Reihen, die oft dazu einladen, Perspektiven zu eröffnen. Viele finden nun im Internet statt, einige sind verschoben.

An der Universität Wien hatte man für das Sommersemester 2020 die Qual der Wahl, wenn man sich für eine Ringvorlesung interessierte. „Ursachen und Konsequenzen des 6. Massensterbens“ bot die Studienprogrammleitung Biologie an, in der Soziologie sollten Forschungs- und Anwendungsfelder aufgerollt werden, für eine Ringvorlesung über die ausgewählten Aspekte der modernen Türkei wollten sich die Bereiche Orientalistik, Afrikanistik, Indologie und Tibetologie zusammenschließen. Dann kam alles anders. Die Beteiligten der Ringvorlesung „Erwachsenenbildung – ein Feld zwischen Bildungspraxis, Wissenschaft und Politik“ sind inzwischen ins Internet übersiedelt: „Die Ringvorlesung wird bis zum Ende dieser Maßnahme online durchgeführt. Zentraler Kommunikationsort ist der Moodle-Kurs“, heißt es auf der Website. Hier referieren nun Experten der Universitäten Wien und Graz, Frankfurt am Main und Duisburg/Essen.

Online oder verschieben?

Unter einer Ringvorlesung versteht man normalerweise eine Vorlesungsreihe, bei der sich verschiedene Dozenten – auch aus unterschiedlichen Fachbereichen – abwechselnd zu einem bestimmten Thema äußern. Nahezu jede Universität in Österreich bietet sie an – aktuell eben online.

Verschoben werden musste allerdings eine Kooperation der neun steirischen Hochschulen. Das Thema der Ringvorlesung im Rahmen von „Sustainability 4U“ wäre dem Klimawandel und dem Bewusstseinswandel gewidmet gewesen. Was hingegen online ist: die begleitende Ausstellung dazu. Die Veranstaltungsreihe selbst ist nun für das Sommersemester 2021 eingeplant.

Eine der beteiligten Universitäten wäre die TU Graz gewesen, die bei den eigenen Ringvorlesungen auf die virtuelle Variante setzt. Hier findet aktuell eine Vorlesungsreihe zum Thema „Trends in der Neuro-Rehabilitation“ statt. „Konzipiert wurde sie vor 15 Jahren als interdisziplinäre, interuniversitäre Veranstaltung, an der neben der TU die Universität und die Medizinische Universität Graz teilnehmen“, sagt Gernot Müller-Putz, Vizedekan der Fakultät für Informatik und biomedizinische Technik an der TU Graz. An dieser virtuellen Ringvorlesung nehmen Studierende aus den Fachbereichen Psychologie und Biomedizinische Technik teil. Ihnen werden die aktuellsten Forschungsergebnisse in der Neuro-Rehabilitation vorgestellt, beispielsweise Ideen für Therapien oder auch für Verfahren wie Neurofeedback.

Folien und Fragen online geteilt

„Wir arbeiten dabei mit Folien und Inhalten, die über unser Onlinesystem mit allen geteilt werden. Auch Fragen sind möglich, ebenso wie Videoeinspielungen und Abbildungen“, erklärt Müller-Putz. Von praktischen Übungen muss momentan abgesehen werden, aber „Laborübungen finden dann statt, wenn wir wieder mehr sein dürfen.“

Nach jeweils zwei Einführungsveranstaltungen hat die Medizinische Universität Wien auch ihre Gender-Ringvorlesungen abgesagt. Sie hätten sich zum einen dem Thema gewidmet, welchen Einfluss das Geschlecht auf Gesundheit, Krankheit, den Verlauf einer Krankheit und das Gesundheitsverhalten hat. Das zweite Angebot wollte sich den Mythen, Fakten, Erklärungsansätzen zum Schmerzempfinden und Schmerzerleben von Frauen und Männern widmen. Storniert wurde auch die Ringvorlesung zu nachhaltiger Ressourcennutzung an der Universität für Bodenkultur Wien in Zusammenarbeit mit der Universität Klagenfurt. Sie hätte einen Überblick über fachliche Zugänge, etwa aus der Ökonomie und Ökologie, gegeben sowie Schlüsselthemen wie Abfallmanagement und Recycling beleuchtet. Außerdem sollte sie Einblicke in angewandte Aspekte nachhaltiger Ressourcennutzung in Österreich und Europa geben. An der Universität Innsbruck hingegen wurde eine Klimaschutz-Ringvorlesung ins Internet verlegt. Der Arbeitsbereich „Energieeffizientes Bauen“ bietet diese Vorlesungsreihe im Rahmen der „Interdisziplinären und Generischen Kompetenzen“ an. Die Auftaktveranstaltung zu Klimawandel und Klimakrise, gehalten von Elisabeth Nemeth von der Universität Wien, konnte noch im Präsenzmodus abgehalten werden, danach wurde in den Onlinemodus gewechselt.

Beteiligt an der Ringvorlesung sind unter anderem Referenten der Fachhochschule Kufstein, der Universität für Bodenkultur in Wien und Immobilienunternehmen. Verteilt werden die Inhalte über Olat, ein webbasiertes Open-Source-Lernmanagement-System, das 2010 an der Universität Innsbruck eingeführt wurde.

Als Kultur-und Tourismusstadt leidet Salzburg unter dem Covid-19-Ausbruch besonders – in dem Jahr, das sich ganz dem 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele widmen wollte. Die Universität Salzburg bietet unter dem Titel „Großes Welttheater – 100 Jahre Salzburger Festspiele“ dazu eine Ringvorlesung an.

Zusatzangebot als Hauptsache

Bevor die Präsenzphase beendet wurde, konnten noch die Eröffnung der Ausstellung über die nicht gebauten Festspielhäuser und der Vortrag von Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler über die Bühne gebracht werden. Es sei von Anfang an geplant gewesen, die Vorlesung aufzunehmen und den Studierenden auf dem Kanal der Universität zur Verfügung zu stellen. „Die nächstfolgenden Referenten werden ab Mai von mir interviewt, und diese ausführlichen Interviews werden als TV-Beiträge ebenfalls online gestellt. Die Referenten sind mit dieser Lösung einverstanden“, erklärt Lehrveranstaltungsleiter Kurt Luger. Die rund 70 Studierenden seien darüber informiert, ab Mai können sie auf die anderen Vorträge zugreifen. „Die Herausforderung für mich und für die Referenten ist keine große, das TV-Zusatzangebot wird zur Hauptsache.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2020)

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