Benefizlauf

Stufe für Stufe für den guten Zweck

(c) imago images/Pixsell (Tibor Jurjevic)
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Durch das Coronavirus verlegt der Wiener Martin Tschiedel seinen jährlichen Benefizlauf spontan in seine Wohnung. Er ist nicht der einzige, der für die gute Sache läuft - und dabei zu kreativen Mitteln greifen muss.

16 Stufen rauf, Knopf drücken, 16 Stufen hinunter, umdrehen, 16 Stufen hinauf, Knopf drücken, 16 Stufen hinunter, umdrehen, 16 Stufen hinauf, Knopf drücken, 16 Stufen hinunter. Während er sonst 24 oder auch 48 Stunden auf kurzen Runden im Freien für die gute Sache im Kreis läuft, wird Martin Tschiedel aus Wien coronabedingt am kommenden Samstag die Treppen in seiner Wohnung auf und ab laufen. Für jeden Höhenmeter sammelt er dabei Geld. Ein Treppendurchgang sind 2,809 Höhenmeter, per Knopfdruck erfasst er die Strecke, die er bereits zurückgelegt hat. Der Computer teilt ihm auch mit, welchen Berggipfel er im „echten Leben“ gerade erreicht hätte.

Wie hoch hinauf er es schaffen will? Etwa bis auf den Mount Everest mit seinen 8848 Höhenmetern? „Ich starte um 06 Uhr und gebe mir maximal 24 Stunden Zeit. Ob ich in dieser Zeit den Mount Everest erklimme, weiß ich nicht, das ist auch das Spannende an der Sache. Aber bis auf den Großglockner würde ich es schon gern schaffen“, erklärt Tschiedel. Die Herausforderung für den Ultrasportler sei nicht unbedingt die körperliche Anstrengung oder Intensität, sondern: „Ich habe bisher erst eine halbe Stunde dafür auf der Treppe trainiert, weil es extrem fad ist.“ Physisch einsam, ohne Publikum, ohne Betreuer, in Isolation zu laufen - eine neue Erfahrung. Ihm wird man zwar per Live-Stream zusehen können, aber: „Zu mir dringt wenig Input durch, ich selbst weiß nicht, was auf der anderen Seite des Spiegels passiert."

„Wir sind füreinander da"

„Der Punkt ist allerdings der“, betont Tschiedel, „ich habe mir diese Situation ausgesucht. Viele andere befinden sich in einer ähnlichen und kommen nicht raus. Wenn du nicht mobil bist, nicht so leicht kommunizieren, vielleicht nicht sprechen kannst, auf Körperkontakt angewiesen bist, die Kommunikationsbasis wegfällt, ist das etwas anders.“ In diesem Sinne gehen seine Einnahmen an den Verein „sowieso!“ und dessen Kunst- und Bewegungsworkshops für Kinder mit Behinderung. Denn auch diese können aufgrund der aktuellen Gegebenheiten nicht stattfinden.

Eigentlich. Denn der Verein will neue Rahmenbedingungen schaffen, damit sie eben doch weiter abgehalten werden können - gerade in Zeiten wie diesen, sagt eine der Leiterinnen, Annie Janz-Marsh: „Die Situation ist herausfordernd und ungewiss für alle Menschen und Familien. Aber eben nicht gleich schwierig für alle. Viele Familien fühlen sich alleine gelassen. Mit zusätzlichen Herausforderungen, die gerade Eltern von Kindern mit Behinderung haben, wie zum Beispiel, dass diese eine besondere Förderung, Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen.“ Besonders für Kinder sei es schwierig zu begreifen, was hier gerade passiert. „Eltern haben da jetzt eine schwierige Aufgabe, dem Kind die Situation verständlich zu machen – das gilt sowohl für Kinder mit als auch ohne Behinderung.“ Für sie kann es belastend sein, dass - auch durch das Ausfallen der Schulen bedingt - die sozialen Kontakte zu Freunden und anderen Kindern ausfallen. Und so sollen die Workshops wiederbelebt werden - in neuer Form, mit neuen, individuell festgelegten Schutzvorkehrungen. „Wir schenken unseren Familien Zeit. Damit die Eltern, aber auch die Kinder einmal wieder durchatmen können“ beschreibt Janz-Marsh das Vorhaben. Es steht ganz unter dem Motto: „Physical Distancing: Ja, aber Social Distancing: Nein. Wir sind füreinander da.“ Und zwar auch für die Begleiter: „Viele von ihnen sind in einer prekären Situation, weil ihnen als Kunstschaffende das Einkommen wegfällt.“ Auch sie sollen unterstützt werden.

Mit Beweggrund

Freilich ist dies nicht das einzige Benefiz-Sportprojekt in Zeiten von Corona. Zum Beispiel wurde für das Kinderhospitz Sterntalerhof eine virtuelle Laufveranstaltung aus dem Boden gestampft. Die Teilnehmer konnten selbst entscheiden, wo sie ihre Kilometer zurücklegen. So verwandelten sich für den Spendenlauf Terrassen in Laufstrecken, Runden wurden in der Garage gedreht oder sogar ein Weltrekord aufgestellt: Der Extremsportler Rainer Predl aus Niederösterreicher lief 70 Kilometer oder umgerechnet über 11.000 Runden um seinen Küchentisch.

Aber auch über die Grenzen hinweg sorgten jüngst internationale Sportereignisse für Aufsehen. Die Schottin Margaret Payn, 90 Jahre alt, hat sich vorgenommen, 282 Mal ihre Treppe hinaufzusteigen. Das entspricht insgesamt der Höhe jenes Berges, den sie zum ersten Mal als Jugendliche bestiegen hatte, den Suilven. „Ich denke, es wird wohl zwei Monate brauchen“, erklärt die Seniorin auf ihrer Spendenseite.

Die Spenden sollen an das staatliche Gesundheitssystem National Health Service (NHS) und an das Hospiz gehen, in dem ihr Mann gepflegt worden war. Inspiriert hatte sie der 99-jährige Engländer Tom Moore, der zuvor - anlässlich seines bevorstehenden 100. Geburtstages - mit einem Rollator 100 Runden durch seinen Garten spazierte. Und dabei Spenden in Millionenhöhe einsammelte. Diese gehen ebenfalls an den NHS, genauer sollen sie „NHS-Mitarbeiter und Freiwillige unterstützen, die sich um Covid-19-Patienten kümmern“. Heute wird Tom Moore als „Corona-Held Englands“ gefeiert und sogar von Prinz Harry als „absolut beeindruckend" gelobt.

(c) REUTERS (Peter Cziborra)

Projekte wie diese, ein positiver Beitrag in Zeiten der Krise. Sie zeigen, so drückt es Martin Tschiedel aus, „dass es Solidarität gibt, Zusammenhalt. Menschen, die sich Gedanken um andere Menschen machen und nicht nur 'Ich muss mich von anderen fernhalten' im Kopf haben. Denn auch das Fernhalten wirkt sich auf uns und unser Zusammenleben aus."

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