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Die milliardenschwere Porno- Industrie leidet unter den Paradigmen des Internets.

Sie sind über 18 Jahre alt? Dann drücken Sie einfach den „Enter“-Button. Wenn nein, dann wählen Sie bitte „Leave“. Aus Gründen des Jugendschutzes. Ach, Sie mogeln in puncto Alter ein wenig? Oder verstehen nicht so ganz, was derlei bedeuten könnte: „Warning! This website contains explicit adult material“? Auch gut. Unsere Ausweiskontrolle ist ja nur eine virtuelle. Der Eintritt frei. Für jede(n), der/die sich „zufällig“ auf eine Seite wie YouPorn, RedTube oder PornHub verirrt. Wir wünschen viel Vergnügen.

Soweit der Status quo im Web, was die natürlichste Sache der Welt betrifft. Nüchtern betrachtet: Pornografie hat dank Breitband-Internet auch in Durchschnittshaushalten Einzug gefunden, ist nur einen Mausklick entfernt. Wo früher g'schamig irgendwelche Heftln in unzugänglichen Laden versteckt wurden, bekommt man heute explizite Inhalte frei Haus geliefert. Die Frage ist bloß: durch die milliardenschwere Porno-Industrie früherer Jahre? Oder leiden die Luden mittlerweile am „Alles gratis!“-Syndrom der Generation Internet genauso wie Musik- und Medien-Magnaten? Interessante Frage. Denn: Einer der wesentlichen Treibsätze für die rasante Entwicklung des Web war und ist die Rotlichtabteilung. Immer noch werden dort weltweit jährlich über 5 Milliarden Dollar umgesetzt. 35 Prozent aller Downloads sind Schmuddelkram, zwölf Prozent aller Websites – laut MBA-Zählung 24.644.172 Seiten – enthalten Pornografie. Übrigens sollen nirgendwo mehr erotische Filmchen geschaut werden als im konservativen US-Bundesstaat Utah.

Insofern kommt die Meldung, dass nun eine Porno-Domain (Adress-Endung: .xxx) zugelassen wird, nicht weiter überraschend. Mit dem Antrag, für das virtuelle Schlafzimmer eine eigene Kennung einzurichten und es damit von anderen Bereichen besser abzugrenzen, war zuvor die Firma ICM dreimal abgeblitzt. Die Ablehnung stehe jedoch nicht im Einklang mit einer neutralen und fairen Domain-Verwaltung, befand letztlich der Web-Hausmeister ICANN. Zu den Gegnern dieser Entscheidung zählen nicht nur Frauenrechtlerinnen, Moralapostel und religiöse Eiferer. Sondern auch Porno-Barone, Lustfabrikanten und Betreiber einschlägiger Seiten. Denn: Was dermaßen deutlich ausgeschildert ist, lässt sich besonders leicht und konsequent rausfiltern und zensurieren. Was zumindest Eltern von Minderjährigen beruhigen dürfte.

Mehr unter: groebchen.wordpress.com/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2010)

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