Brisante Thesen: In seiner neuen Hitler-Biografie zeigt der Historiker Brendan Simms den Diktator primär als glühenden Feind der Finanzmärkte und der Globalisierung.
Wer beim Militär für die Propaganda arbeitet, muss sich in Rhetorik schulen. Im August 1919 lobt ein Bericht der Reichswehr einen Lehrgangsteilnehmer für seinen „sehr schönen, klaren und temperamentvollen Vortrag über den Kapitalismus, der dabei die Judenfrage streifte“. Kurz darauf schreibt dieser Redner einen Brief, seinen ersten längeren politischen Text. Er schwadroniert darin vom „Tanz ums goldene Kalb“, von der Macht und „Majestät“ des Geldes, in einem Atemzug mit der „jüdischen Gefahr“. Wenig später gründet er eine Partei, „deren Ziel ewig nur antikapitalistisch“ sein könne. Kurz vor seinem Selbstmord im April 1945 lastet er in einem „Politischen Testament“ sein Scheitern den „wahren Übeltätern“ an: den „internationalen Finanzverschwörern“, die Europas Völker wie „Aktienpakete“ behandeln.
Nachzulesen ist das alles in „Hitler. Eine globale Biografie“, verfasst vom irischen Historiker Brendan Simms und jüngst auf Deutsch erschienen. Der Titel dürfte vielen einen Seufzer abringen: Noch ein Buch über Hitler! Warum sollen wir uns schon wieder in den Wahn dieses politischen Monsters hineinversetzen? Nach vielen profunden Arbeiten, wie jenen von Joachim Fest und Ian Kershaw, scheint doch alles über ihn gesagt. Aber der in Cambridge lehrende Simms betont tatsächlich Neues: Hitlers Hass auf den „internationalen Kapitalismus“.