Stadtbild

So übersehbar können zehn Meter Chromstahl sein

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Wer kennt schon Österreichs Unabhängigkeitserklärung? Eine Erinnerung aus gegebenem Anlass.

Gut zehn Meter hoch, mutmaßlich tonnenschwer: Man möcht' gar nicht glauben, wie dennoch leicht zu übersehen so eine chromblitzende Stahlsäule sein kann. Weithin unbeachtet steht sie da, am Rand des Schweizergartens, unweit der Schnellbahnstation Quartier Belvedere. Und dass sie irgendetwas mit dem steinernen Textband zu tun hat, das 30 Meter weiter wie bestellt und nicht abgeholt in der Schweizergarten-Wiese liegt, wird sich selbst bei geschichtsbewusstestem Willen keinem der Parkpassanten erschließen können.

Dabei, was Säule und Text gemeinschaftlich in Erinnerung erhalten wollen, ist keine Kleinigkeit. Schließlich geht es um die Staatsgründungen Österreichs, jene des Jahres 1918 wie namentlich jene, die sich dieser Tage zum 75. Mal jährt: jene vom 27. April 1945, dem Tag, an dem in einem eben erst befreiten Wien Österreichs Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet wurde. Eine Unabhängigkeitserklärung, die mit dem Denkmal, das an sie erinnern soll, die öffentliche Nichtbeachtung teilt: Kaum jemand weiß, dass es sie überhaupt gibt, unterzeichnet zu einem Zeitpunkt, da mehr als die Hälfte des Landes noch im Krieg stand, zu einem Zeitpunkt, da Not, Flüchtlingsströme, Seuchen und eine in Teilen völlig enthemmte Wehrmachtssoldateska noch immer durch hiesige Talschaften rasten – und die Wiederbegründer dieses Staates es dennoch für zuvorderst geboten hielten, all ihrem Handeln eine rechtliche Basis und eine republikanische Verfassung zu verschaffen.

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