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Debatte

Zwölf Leser, zwölf Meinungen zu den Corona-Maßnahmen

Seit Wochen gibt es auch auf den Debattenseiten der „Presse“ ein dominierendes Thema. Wir präsentieren eine Auswahl an Leserbriefen.

Montag, 20. 4., Wien, Altes AKH: Gruppen tummeln sich auf den Wiesen, picknicken, spielen Fußball. Jemanden, der die Vorgaben unserer Bundesregierung berücksichtigt, lässt das verständnislos zurück. Und ein bisschen wütend. Auf so vieles hat man persönlich verzichtet, so vieles hat man befolgt, sein Bestes getan, so viele Opfer hat unsere Wirtschaft erbracht - und scheinbar ist ein großer Teil der Bevölkerung der Ansicht, alles sei nur Spaß. Die neu gewonnene Zeit? Bestens genutzt in Form von Freizeit mit Freunden!
Die Erinnerung an eine Ausgangssperre verblasst, und immer mehr Mitbürger werden denken: Was die können, das kann ich auch! Doch was kommt dann?
Dr. Maximilian Bonta, 1090 Wien

Nicht alle Älteren hilfsbedürftig

Wir in der Generation 65 plus sind nicht alle hilfsbedürftig! Uns fehlen die sozialen Kontakte, und wir können durchaus selbst entscheiden, wie viele Kontakte und welches Risiko wir eingehen wollen. Wir sind ja vernunftbegabte Wesen. Ich vermisse in der Diskussion das Argument der Eigenverantwortung! Etwas mehr Pragmatismus ist notwendig, und ich begrüße den Vorschlag von BM Anschober, die gefährdeten Personen zu informieren, damit diese dann selbst entscheiden können. Aber bitte bringt die Wirtschaft nicht um - die junge Generation hat auch ein Anrecht auf Erwirtschaftung und Gestaltung ihres Lebens.
Gertraud Heil, 8291 Burgau

Froh, am Leben zu sein

Ich bin 80 und heilfroh, noch am Leben zu sein. Das verdanke ich auch den raschen und richtigen Entscheidungen der Regierung. Ja, es sind dabei Fehler passiert, die aber niemanden umgebracht haben. Diejenigen, die jetzt die wenigen Haare in der Suppe suchen, mögen sich weiterhin auf der sicheren Seite wähnen, meine Generation und alle Risikopersonen haben andere Sorgen.
Horst Berger, 1130 Wien

Wir brauchen Ablenkung

Ich finde es mehr als erstaunlich, dass die Bundesmuseen "vorerst" aus wirtschaftlichen Gründen bis Ende Juni geschlossen bleiben. Soll "vorerst" andeuten, dass erst wieder aufgesperrt wird, wenn Touristen ins Land können!? Die Bundesmuseen sollten m. E. in Zeiten deutlich eingeschränkter Kulturprogramme wo irgend möglich den Menschen im Land Ablenkung und Anregung bieten. Ich denke z. B. an das Haupthaus des Kunsthistorischen Museums, wo Abstandsregelungen wohl leicht einzuhalten wären! Wir Steuerzahler finanzieren sowohl die laufende Basisabgeltung als auch aktuell die Kurzarbeit von Mitarbeitern der Museen. Zum Dank sollen wir jetzt draußen bleiben!?
Dr. Barbara Hollerleitner-Ziegler, 1190 Wien

Drohende Suizidwelle

Ist es ethisch vertretbar, die Wirtschaft in den Ruin zu führen und damit Massenarbeitslosigkeit etc. in Kauf zu nehmen und sehenden Auges eine Suizidwelle zumindest schulterzuckend zu akzeptieren? Wer glaubt, mit Nothilfen sei es getan, der glaubt noch an den Weihnachtsmann. Die Frage, ob nicht der zeitlich ev. vorgezogene Tod schwer Vorerkrankter sehr wohl den drohenden Suiziden und dem Massenelend gegenübergestellt werden muss, stellt sich mit jedem Tag des "Lockdown" deutlicher. Die Haltung der "Natur" dazu ist klar: Rettung des Individuums - ja, um den Preis des Ruins einer ganzen Art - nein!
Unter Ansatz folgender Prämissen (lt. Expertenaussagen):
50 % symptomlos,
42 % milde Verläufe,
8 % behandlungspflichtig, wenngleich nicht alle Intensivstation.
Dunkelziffer realistisch - bestätigte Fälle x 5-10 - Letalität (China) daher 0,4-0,8 %.
Dringend zu kontrollieren mit Antikörper-Testung.
Daher - Isolierung der ohnehin nicht (nicht mehr voll) im Arbeitsleben stehenden Risikogruppen und Hochfahren der Wirtschaft mit Beschränkungen ähnlich jenen in Schweden (keine größeren Gruppen, Abstand, Handhygiene).
Ein dauerhafter Stillstand der Wirtschaft führt dazu, dass keinerlei Gesundheitsmaßnahmen - für niemanden - mehr gewährleistet werden können!
Dr. Klaus Duschek, 6070 Ampass

Wehret den Anfängen!

Nach Art. 18 unserer Bundesverfassung darf die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Ein elementarer Grundsatz unseres Rechtsstaats, wonach willkürliches Handeln der Exekutive (wie z. B. im Metternich'schen Polizeistaat vor 1848) unzulässig ist. Wenn in Medienberichten zu lesen ist, dass Polizisten am Osterwochenende wegen des Verdachts von Treffen mit haushaltsfremden Personen an Wohnungstüren klingelten, um nach dem Rechten zu sehen, stellt sich die Frage nach der rechtlichen Grundlage dafür.
Nach meiner Recherche im Rechtsinformationssystem des BKA gibt es in den Covid-19-Gesetzen und -verordnungen keine Bestimmung, welche Zusammentreffen im Privatraum, wie z. B. Garten oder Wohnzimmer, verbieten würde. Sofern die Polizei als Grundlage für das Einschreiten einen Erlass (Dienstanweisung innerhalb der Exekutive) heranzieht, ist dies - wie auch kürzlich von der Vereinigung der Verwaltungsrichter zutreffend hingewiesen (9. 4. 20) - unzulässig.
Selbst die (hochgradig unvernünftigen) Corona-Partys in Wohnungen erscheinen mangels eines Verbot-Tatbestands für den privaten Raum in einem Gesetz bzw. in einer Verordnung nicht rechtswidrig zu sein, womit ein Rechtsmittel gegen einen dafür verhängten Strafbescheid wohl erfolgreich sein müsste. Auch wenn ein Verhalten noch so dumm ist, gilt in einem Rechtsstaat auch hier der (in der MRK verankerte) Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz".
Deshalb mein Appell an die zuständigen Politiker (die im Großen und Ganzen einen guten Job machen) und Verwaltungsbehörden: Auch bzw. besonders in Krisenzeiten darf das rechtsstaatliche Prinzip unserer Bundesverfassung nicht außer Acht gelassen werden! Sorgen Sie für ein Handeln der Exekutive aufgrund von (gehörig kundgemachten) Gesetzen und Verordnungen anstatt auf Basis von nebulosen Erlässen!
Zur Klarstellung: Ich bin alles andere als ein Staatsverweigerer, sondern aufgrund der aktuellen Medienberichte ein im Sinne von "Wehret den Anfängen!" um unseren Rechtsstaat besorgter Bürger.
Mag. iur. Raimund Elsenwenger, 5440 Golling

Trump'sches Niveau

Dass verfassungswidrige Gesetze oder solche Verordnungen beschlossen werden, kommt immer wieder vor. Dass der Bundeskanzler das aber mit der Notwendigkeit der Bewältigung der Krise rechtfertigt und von "Spitzfindigkeiten" spricht, lässt Absicht oder Gleichgültigkeit vermuten. Und er meinte noch, der VfGH könne ja tätig werden, wenn diese nicht mehr in Kraft sein werden. Er hätte auch "eh wurscht" sagen können. Das ist Trump'sches Niveau, denn der Bundeskanzler sagte das nicht nur spontan, sondern wiederholte diese Aussage am nächsten Tag. Es ist zu hoffen, dass der VfGH eine Sondersession einschiebt und den Vorwürfen rasch nachgeht.
Dr. Alexander Demblin, 1040 Wien

Warum isoliert man nicht nur die Kranken?

Erstaunlich, dass man nicht nur die Kranken isoliert, wie man es bei Seuchen üblicherweise tut, sondern auch die Gesunden in Quarantäne wegsperrt. Bei den Geschäftsschließungen dominiert das Prinzip der Beliebigkeit oder vielleicht sogar das Gesetz der Willkür, ebenso wie die Sperre der Bundesgärten bei gleichzeitiger Öffnung städtischer Grünanlagen.
Das alles u. v. m. ist nicht nachvollziehbar und auch nicht logisch argumentierbar. Aber mit den Stichworten Gesundheit und Sicherheit lassen sich demokratische Grundwerte wie Freiheits- und Persönlichkeitsrechte anscheinend problemlos aushebeln.
Mag. Martin Behrens, 1230 Wien

Keine Geschenke mit der Gießkanne

Muss wirklich der Staat Österreich jedem Unternehmen seinen Umsatz/Ertrag bzw. Aufwand ersetzen? Auch wenn das Beispiel aus Deutschland kommt, könnte es auch in Österreich sein. Wo ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Vapiano-Kette? Diese hat sich bei der Expansion ihrer Pizza/Pasta-Lokale überhoben und wurde in den Wirtschaftsnachrichten in den letzten Monaten als insolvenzgefährdet genannt. Vapiano hat sofort nach Staatshilfe gerufen. Warum soll dieses Unternehmen mit Steuergeld gerettet werden? Hier ist dem viel gescholtenen OeNB-Gouverneur Holzmann recht zu geben.
Wenn die Regierung sagt, sie helfe allen, "koste es, was es wolle", ist das vielleicht psychologisch hilfreich, aber eigentlich eine gefährliche Drohung. Unsere Regierung verfügt über das Geld der Steuerzahler. Die in Aussicht gestellte Hilfe von derzeit rund  40 Mrd. Euro ist über neue Schulden zu finanzieren und zurückzuzahlen. Das sind erhebliche Belastungen, die auf den steuerzahlenden Teil der Bevölkerung zukommen und in weiterer Folge auf unsere Jugend, die sich schwertut, bei der aktuellen Steuerbelastung etwas aufzubauen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Unterstützung lebensfähiger Betriebe durch die Kurzarbeitsregelung ist vernünftig, ebenso für Kleinbetriebe und EPU, deren Betrieb von einem Tag auf den anderen geschlossen wurde, natürlich auch für Arbeitnehmer, die in die Arbeitslosigkeit rutschen. Als Unternehmer und Steuerzahler (der keine Hilfe in Anspruch nimmt) erwarte ich mir einen gewissenhaften Umgang mit Steuergeld und keine Geschenke mit der Gießkanne. Und ich wünsche mir auch, dass etwaiger Missbrauch geahndet wird.
Dr. Ralf Borzutzky, 3400 Klosterneuburg

Ein bisschen kürzer treten

Warum soll der Staat einem Kleingewerbetreibenden den Umsatz 1:1 ersetzen? Die Kurzarbeit trägt schon überwiegend der Staat, der Arbeitnehmer hat keine Kosten der Berufsausübung (Wegekosten, Arbeitskleidung . . .). Der Vermieter muss auf die Miete (ohne Betriebskosten) verzichten, denn er kann das Objekt auch sonst nicht vermieten. Die Energiekosten gehen gegen null. Auch Kreditrückzahlungen müssen ausgesetzt werden; die Bank kann das Geld ja auch sonst nicht "arbeiten lassen", und die Sparer erhalten ohnehin keine Zinsen. Richtig: Wir fahren im Stand-by-Modus, mit geringeren Kosten.
Und da springt der Staat ohnehin schon ein. Nachdem wir alle noch für längere Zeit nicht fortfahren (und wer getraut sich gar noch zu fliegen?) können, sparen wir jede Menge Geld. Also ein wenig kürzer treten!
Klaus Brandhuber, 4600 Wels

Wo soll man das Geld holen?

Die Millionen beziehungsweise Milliarden der Kosten der Coronakrise werden wohl wir alle bezahlen müssen. Sei es durch geringere Zuschüsse, durch höhere Abgaben oder durch nicht mehr vorhandene Leistungen der Öffentlichkeit.
Der reflexhafte Aufschrei der ÖVP (und einiger Kommentatoren) gegen die Idee, den Beitrag der Begüterten eher höher anzusetzen, scheint mir wie eine schwere Krankheit. Der überwiegende Anteil auch der ÖVP-Wähler hat ein kleines bis mittleres Einkommen. Das heißt die meisten können gerade davon leben - soll man es vielleicht lieber dort holen?
Wenn überbezahlte Promi-Fußballer oder andere Entertainer jetzt großzügig eine Million spenden, dann wäre das so, als würde ein Durchschnittsverdiener tausend Euro spenden - wobei das Letzterem trotzdem deutlich mehr wehtut als die Million dem anderen. Zu Verdeutlichung: Eine Million verdient jemand bei Jahreseinkommen von 25.000 Euro im gesamten Berufsleben - und muss davon den Lebensunterhalt bestreiten, das heißt davon bleibt nichts zum Spenden übrig. Selbst bei einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro muss man dafür 20 Jahre lang arbeiten! Die Spitzeneinkommen in Millionenhöhe sind unverschämt hoch, auch bei den Topmanagern.
Das Argument, man bekomme sonst keine guten Leute, ist obsolet, da sich gezeigt hat, dass man mit hohen Gehältern und Boni oft auch schlechte Leute bekommt. Daher sollte sich die ÖVP (und ihre Nachbeter) vor höheren Abgaben der Millionäre nicht fürchten.
Dr. Ewald Tentschert, 6063 Rum

Corona-App: Ich kann ohne Smartphone leben

Eine verpflichtende Stopp-Corona-App wird es nicht geben: Ich bin 65 Jahre lang ohne Smartphone (gut) ausgekommen und kann das auch beweisen - neuerdings gibt es ja keine anonymen Handys mehr. Der Staat müsste mir also für eine Pflicht-App ein Smartphone gratis zur Verfügung stellen und auch noch den Vertrag bezahlen - politisch undenkbar in unserer Neidgenossenschaft.
Auch der andere Weg ist nicht vorstellbar: dass nur mehr jene raus dürfen, die eine App haben. Denn das hieße ja, dass ich mir meine Freiheit mit Geld erkaufen müsste (wer arm ist, muss halt daheim bleiben) und liefe auf eine Art elektronische Fußfessel ohne Gerichtsverfahren hinaus.
Mag. Erich Wallner, 3100 St. Pölten

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