FC Barcelona

Camp Nou: Der Ausverkauf durch die Hintertür

APA/AFP/PAU BARRENA
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Der Verein will die Namensrechte an seinem Stadion zugunsten der Corona-Forschung verkaufen. Dahinter steckt einmal mehr Kalkül.

Barcelona/Wien. „Més que un club“ („Mehr als ein Verein“), so lautet das Motto des FC Barcelona. Und tatsächlich gab es Momente in der Klubgeschichte, in denen man diesem Leitspruch gerecht wurde. Etwa als eine Mannschaft aus Eigenbauspielern mit Unicef-Logos auf den Trikots die Fußballwelt beherrschte. Oder als anstelle von Kapitän Carles Puyol 2011 der nach einer Krebserkrankung zurückgekehrte Eric Abidal die Champions-League-Trophäe entgegennahm.

Heuer aber geriet der Klub in einen Strudel aus Negativschlagzeilen. Mitten in der Saison wurde der Trainer gewechselt, Lionel Messi legte sich mit der Vereinsführung an und im Zuge einer als „Barçagate“ bekannten Affäre traten zwei Vizepräsidenten und vier Vorstände zurück. Präsident Josep Bartomeu soll eine Agentur beauftragt haben, Fake News über seine Profis zu streuen, um die unpopuläre Klubführung zu stärken. Auch die Verhandlungen um den Gehaltsverzicht der Spieler in der Coronakrise verliefen nicht reibungslos. Trotz aller Nebengeräusche führt Barcelona die unterbrochene spanische Liga an.

Nun kommt auch noch das Camp Nou, die berühmte Heimstätte des Klubs im Stadtviertel Les Corts, ins Spiel. Der Verein will für die kommende Saison die Namensrechte am Stadion verkaufen und den Erlös der Coronavirus-Forschung spenden. „In einer Zeit der humanitären Krise halten wir es für unerlässlich, alle verfügbaren Vermögenswerte zu aktivieren, um die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen zu bekämpfen“, erklärte Barça-Vizepräsident Jordi Cardoner, der selbst eine Covid-19-Infektion überstanden hat.

Erst die Wohltat, dann die Millionen

Für viele aber ist es der nächste Schritt im Ausverkauf des Vereins. Das Camp Nou, mit 99.000 Plätzen das größte Fußballstadion Europas, hat seit seiner Eröffnung 1957 nie einen Sponsorennamen getragen. Die Arena gilt zudem als katalanisches Nationalheiligtum. Bei jedem Heimspiel wird nach 17 Minuten und 14 Sekunden „Independencia“ skandiert und des Jahres 1714 gedacht. Damals verlor Katalonien im Spanischen Erbfolgekrieg seine Autonomie.

Mit der Coronaforschung nun einen guten Zweck beim Verkauf der Namensrechte vorzuschieben, ist auch eine PR-Maßnahme. Denn ab der Saison 2023/24 wäre es ohnehin soweit gewesen. Dann wäre der Name Camp Nou (katalanisch für „Neues Spielfeld“) einem Sponsor zugefallen, die Klubmitglieder, insgesamt sind es über 140.000, haben diesen Plan schon vor Jahren abgesegnet. Angepeilt wurde ein Erlös von 300 Millionen Euro für einen 25-Jahres-Vertrag. Das Geld soll in die Modernisierung des Stadions und in das neue Klubareal („Espai Barça“) fließen.

Fürs Erste aber steht der gute Zweck im Vordergrund. Das Kalkül dahinter: Später, wenn die Heimstätte zugunsten der Vereinskasse versilbert wird, ist der Anhang schon gewohnt, dass das Stadion einen Sponsornamen trägt. Dieses Vorgehen ist nicht neu. 2006 präsentierte Barcelona erstmals ein Logo auf den Trikots. Für den Unicef-Schriftzug spendete der Klub jährlich 1,5 Mio. Euro an das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen und erntete viele Sympathien. 2010 schloss Barcelona dann nach 111 Jahren ohne kommerzieller Trikotwerbung einen Vertrag mit der „Qatar Foundation“ ab, für die damalige Rekordsumme von 30 Mio. Euro pro Saison.

Mit dem Namen Camp Nou soll nun das nächste Vereinsheiligtum durch die Hintertür zu Geld gemacht werden. Der Klub will zurück an Europas Spitze, und nun, da vom Spielstil der Glanzzeiten kaum noch etwas übrig ist, die berühmte Akademie keine Stars mehr hervorbringt und sich teure Transfers reihenweise als Fehlgriffe erwiesen haben, kann sich Barça nicht mehr leisten, mehr zu sein als die anderen Fußballvereine.

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