Animationsfilm

„Trolls World Tour“: Singen, hüpfen, Glitzer kotzen

Dreamworks
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„Trolls World Tour“ ist die erste große Hollywood-Produktion, die im Netz statt im Kino erscheint. Zumutbar ist das ästhetisch arg überladene, quietschbunte und sehr laute Pop-Musical auch auf dem Bildschirm nur bedingt.

Was kommt dabei heraus, wenn man eine Tonne Glitzer, eine LKW-Ladung Zuckerwatte, das Bastelmaterial eines ganzen Kindergartens, einen Regenbogen und eine gehörige Dosis LSD in den Mixer wirft? So oder so ähnlich dürfte das Wunderland entstanden sein, das sich in „Trolls World Tour“ in seiner ganzen quietschbunten, surrealen, anstrengenden Pracht präsentiert. Hier hüpfen die Trolle, modelliert nach jenen hässlichen kleinen Puppen mit den abstehenden Haaren, die ab den 1960ern in die Spielzeugregale einzogen, über Filzhügel und bunte Schwammerl, schwimmen durch Neon-Korallenriffe, fliegen über wattige Wolken und durch endlose schimmernde Weiten, durch die hin und wieder ein weißer Tiger springt. Ach ja: Kotzen tun diese Trolle nur Glitzer, und die Kinder gebären die Männer, indem sie ein Ei aus ihrer Haarpracht drücken.

Und natürlich singen sie, am liebsten den ganzen lieben langen Tag und mit der aggressiven Begeisterung von Kinderhotel-Animateuren. 2016 erschien der erste „Trolls“-Kinofilm, ein sogenanntes Jukebox-Musical, das sein Publikum – neben der knallig-psychedelischen Ästhetik – vor allem durch eine Aneinanderreihung beliebter Popsongs unterhält. Die Fortsetzung erscheint nun nicht wie geplant im Kino, sondern online zum Ausleihen. Die Handlung: Die Poptrolle, angeführt von der pinken Königin Poppy (Anna Kendrick) kommen drauf, dass sie nicht die einzigen sind auf ihrer Welt, sondern dass es auch Rock-, Klassik-, Funk-, Country- und Technotrolle gibt (mit Stimmen von Ozzy Osbourne bis Gustavo Dudamel). Oder gab: Denn die böse Rock-Königin ist dabei, den Völkern ihre Heiligtümer (bunte Glitzersaiten) zu rauben und eine Vorherrschaft des Rock zu etablieren. Das tut sie, indem sie die Zunge rausstreckt und mit ihrer E-Gitarre Druckwellen auslöst, die die schöne Filzlandschaft zerfetzen.

Halluzinationen durch Smooth Jazz

Also zieht Poppy, begleitet von ihrem besten Freund (Justin Timberlake) los, um die Vielfalt zu retten – und erfährt, dass es das Pop-Volk war, das die anderen einst kolonialisiert und ihre Musik mit plumpen Feel-Good-Botschaften und Autotune-Gesang kommerziell ausgebeutet hat. Eine interessante Botschaft für einen Film, den man sich aus genau diesem Grund zwischendurch gerne lieber mit Ohropax im Ohr anschauen würde. Eine ernsthafte Musik-Lektion darf man sich von dem platten Plot nicht erwarten, aber die Fantasie der Macher der Dreamworks-Animationsschmiede treibt Blüten: Disco ist auf dieser Welt nur in veralteten Karten verzeichnet. K-Pop, Reggaeton und Jodler haben kein eigenes Reich, sondern vagabundieren als Kopfgeldjäger durch die Lande. Genauso wie der Smooth Jazz, der, personifiziert durch einen Guru mit Saxofon, sehr verhasst ist, weil er bei den Leuten arge Halluzinationen verursacht, in denen sie einander als Sushi-Rollen verspeisen, während Narwale über den Sonnenuntergang gleiten.

Die Dichte der Bilder und Motive ist schon erstaunlich: Manche Szenen erinnern an die zweidimensionalen Collagen von Monty Python, andere werden in Form von animierten Jeansjacken-Aufnähern erzählt, überall werden Farben und Texturen im Hyper-Tempo übereinandergeschichtet, dass einem die Augen übergehen.

Streamingstart statt Kinostart

Wie das wohl erst auf der großen Leinwand rübergekommen wäre? „Trolls World Tour“, vertrieben von Universal Pictures, ist der erste große Hollywoodfilm, der wegen der Corona-Pandemie direkt auf Streaming-Plattformen landet. Hierzulande kann er ab Donnerstag, 23. April für eine Leihgebühr von 14,99 Euro für 48 Stunden (u. a. bei Amazon, Sky, Apple, Google Play) bezogen werden. Schule macht das Beispiel derzeit noch nicht: Zwar bekamen zuletzt Filme, die ihr Kinopotenzial wegen des plötzlichen Lockdown nicht ausschöpfen konnten, eine zweite Chance im Netz; das betraf den US-Horrorthriller „Der Unsichtbare“ genauso wie die österreichische Doku „Brot“. Neue Filme werden aber eher in den Herbst verschoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2020)

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