Griechenland verkauft hoch verschuldete Bahn

Privatisierung Griechische Bahn hoch
Bahn(c) EPA (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Der Verkauf der OSE ist ein ehrgeiziges Unterfangen. In Europa gibt es kein Land, dessen Eisenbahn größere Verluste einfährt als die griechische. Die Schulden haben elf Milliarden Euro erreicht.

Athen (Bloomberg). Griechenlands Transportminister Dimitris Reppas rührt schon die Werbetrommel: Vergangene Woche traf er sich mit seinem französischen Amtskollegen, um diesem den Einstieg der französischen Staatsbahnen bei der griechischen Bahngesellschaft OSE schmackhaft zu machen. Mit den von EU und IWF geforderten Privatisierungen will die Regierung in Athen das 110 Mrd. Euro schwere Hilfspaket sichern. Der Verkauf des Tafelsilbers – neben der Bahn sollen auch Teile der Post und Wasserwerke verkauft werden – soll bis 2013 drei Mrd. Euro bringen.

Der Verkauf der OSE ist ein ehrgeiziges Unterfangen: Denn in Europa gibt es kein Land, dessen Eisenbahn größere Verluste einfährt als die griechische. 2009 hat die OSE laut Geschäftsbericht bei einem Umsatz von 196 Mio. Euro einen Verlust von 795 Mio. Euro eingefahren. Allein für Zinsen und andere Finanzierungskosten zahlte OSE 429 Mio. Euro, 19 Prozent mehr als 2008. Die Schulden haben elf Mrd. Euro erreicht. Auf jeden Griechen entfallen 1100 Euro.

Die Bahn besteht eigentlich aus zwei Gesellschaften, die reformiert werden müssen: der Transportsparte Trainose SA und den Betreibern der Infrastruktur und des Eisenbahnnetzes Hellenic Railways Organization SA, kurz OSE genannt.

Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat sich vorgenommen, die roten Zahlen zumindest für das Schienennetz einzudämmen und binnen zwölf Monaten einen Käufer zu finden. „Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Wer solch radikalen Wandel schaffen will, muss alle Beteiligten ins Boot holen, die Beschäftigten ebenso wie die Gläubiger“, sagt Chris Mallon. Der Anwalt ist Co-Leiter Restrukturierungen Europa bei der Kanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom LLP in London. Er hat Griechenland beim Verkauf der ehemals staatlichen Fluglinie Olympic Airlines beraten. 15 Jahre hat es gedauert, bis die Airline schließlich nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen einen privaten Käufer fand.

 

Exorbitante Personalkosten

Der Eisenbahnsektor sei typisch für die Exzesse des Landes, sagt Evripidis Stylianidis, der ehemalige griechische Transportminister. „OSE kostet die Griechen täglich zwischen zwei und 2,5 Mio. Euro. Wenn sie ein Taxi nähmen, wohin auch immer, es würde weniger kosten“, beschreibt der ehemalige Minister die prekäre Situation. Unter ihm wurde 2009 ein Restrukturierungsplan ausgearbeitet, doch dann erlitt seine Partei bei den Wahlen eine Niederlage.

Nach Angaben von Ex-Entwicklungsminister Kostis Hatzidakis verdienen die Angestellten des Eisenbahnnetzbetreibers OSE das Vierfache der Erlöse aus dem Verkauf von Fahrscheinen. Profitabel ist nach seinen Angaben nur eine einzige Strecke, sie verbindet die drittgrößte Stadt Patras mit Athen und Thessaloniki. Vetternwirtschaft in Form hoher Rabatte auf Frachttarife für bestimmte Kunden habe dazu geführt, dass die Bahn im Frachtgeschäft rote Zahlen schreibt, sagt Hatzidakis.

„Die Wende wäre nicht möglich ohne politischen Willen. Den haben sie jetzt. Der Plan ist machbar. Selbst wenn es bis zur Umsetzung länger dauert, sagen wir zwei oder drei Jahre, wäre das immer noch ein Erfolg“, sagt Giorgos Giannopoulos, Direktor beim griechischen Institut für Transport, einer Forschungsgruppe, die teilweise von der Regierung finanziert wird.

Griechenland will die Transportsparte Trainose binnen eines Jahres zu einem ausgeglichenen Betriebsergebnis führen. Zu diesem Zweck wurden Strecken stillgelegt und Personal abgebaut. Auch beim Netzbetreiber OSE sollen die Verluste gesenkt werden, sagt Bahnchef Panagiotis Theofanopoulos. In beiden Unternehmen sollen 4000 der 6500 Stellen gestrichen werden. Die Regierung plant, 2000 betroffene Beschäftigte in anderen Stellen im öffentlichen Dienst unterzubringen, sagte Reppas. Weitere 2000 Stellen sollen über Pensionierungen in den kommenden 24 Monaten wegfallen. Rund die Hälfte der Belegschaft ist älter als 50 Jahre. Mit weiterem Widerstand auf Arbeitnehmerseite ist zu rechnen. Am 29. Juni riefen die Gewerkschaften zum fünften Generalstreik seit Jahresanfang auf.

 

Ohne Gläubiger geht nichts

Aber auch die Gläubiger werden bei der Sanierung mitmachen müssen. 70 Prozent der Verbindlichkeiten sind nach Angaben von Giannopoulos vom griechischen Staat garantiert. Der Großteil davon werde von Banken aus Europa, den USA und Japan gehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2010)


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