Es ist eine bösartige Angewohnheit, Menschen in Verlegenheit zu bringen – aber auch eine, die Spaß macht.
Es ist eine bösartige Angewohnheit, Menschen in Verlegenheit zu bringen – aber auch eine, die Spaß macht. Am besten funktioniert es mit ein wenig Vorwissen, mit dem man das Gegenüber ein kleines bisschen demütigen kann. Erzählt etwa ein Kollege voller Stolz, er hätte etwas von der Pike auf gelernt, braucht man nur provokant zu fragen: „Was ist eine Pike?“ Im Normalfall wird der Gefragte erröten und unsicher stammeln, dass es etwas mit der Kindheit zu tun haben müsse, vielleicht sei ja das Kindbett oder die Wiege gemeint. Mitnichten, Freund der Blasmusik! Die Pike ist eine Waffe, die im Dreißigjährigen Krieg gerne zum Einsatz gekommen ist – ein etwa fünf bis sechs Meter langer Spieß, mit dem man sich gegen angreifende Kavallerie gestellt hat. Pikeniere waren die unterste Waffengattung, weil man für das Halten der Pike keine lange Ausbildung brauchte. Auf dem Weg zu höheren Waffengattungen musste man also das Kriegshandwerk „von der Pike auf“ lernen.
Derart in Fahrt geraten kann man dem Belehrten erklären, dass „blaumachen“ aus dem Färberwesen kommt: Für die Herstellung von Indigoblau wurde einst mit Urin gearbeitet – und um den zu erhalten, betranken sich die Färber, um schließlich am nächsten Tag blauzumachen. „Halt die Klappe“ wiederum hat nichts mit dem Mund zu tun, sondern bezieht sich auf die Klappsitze im Chorgestühl einer Kirche, die bei Unachtsamkeit laut herunterfallen und so die Andacht der Mönche stören konnten.
Und da steht es nun, das Gegenüber, und fühlt sich nach all diesem gehäuften Wissen auf einmal ganz klein. Nur irgendwo im Hinterkopf wird er sich vermutlich fragen, wie sich eigentlich das Wort „Klugscheißer“ etymologisch herleiten lässt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2010)