Roman

Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen

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Die Grazer Autorin Astrid Schilcher erzählt in ihrer Parabel „Der Alpendiktator und Menschenfreund“ von einem Politiker, der nur das Beste für alle will – um jeden Preis.

Bei manchen Büchern markiert man die eine oder andere Stelle – weil man sie besonders gut formuliert findet oder um später nochmal darüber nachzudenken. Astrid Schilchers Parabel „Der Alpendiktator und der Menschenfreund“ ist mit knapp 170 Seiten zwar nicht besonders dick, Stellen zum Nachdenken findet man allerdings genug. 

Bereits im Jänner erschienen, erlangte das Buch durch die Corona-Krise und den Umgang der Politik damit Aktualität. In einer Zeit, in der der Staat das persönliche Leben der Bürger zum Wohle aller bestimmt, kommt „Der Alpendiktator und Menschenfreund“ als anregende Lektüre gerade recht. 

Das Buch spielt 2041, die USA befinden sich in einem Bürgerkrieg, Großbritannien ist nach dem Brexit am Boden und in Europa kommen immer mehr rechte Regime an die Macht. Florian Steiner, eine ebenso charismatische wie hochintelligente Führungspersönlichkeit mit Hang zum Sozialexperiment, ist über den Niedergang des demokratischen Systems und den Aufstieg einer bornierten Gesinnung zutiefst frustriert. Er gründet die „Partei der Neuen Stärke“ und tritt offen mit einem umfassenden Machtanspruch vor die Wähler: Er will politisch so stark werden, dass er Maßnahmen zum Wohle aller durchziehen kann. Eine autokratische Rosskur für die Demokratie sousagen. Seine Ehrlichkeit triumphiert, er kommt aus dem Stand auf über 60 Prozent. Als erstes verlängert er seine Amtszeit auf acht Jahre.

Nur noch gut informierte Wähler

Steiner umgibt sich mit einem Expertenteam, in dem auch kritische Stimmen vertreten sind – allen voran seine Frau Camille, eine Juristin mit scharfem Verstand und geradlinigem Moralkompass. Dessen Nadel beginnt allerdings immer nervöser zu zittern je weiter Florian Steiner sich in seine schöne neue Welt verrennt. Es beginnt mit einem Wählerführerschein, der nur noch gut informierte Wähler nach einer Prüfung an die Urnen lässt; setzt sich über Arbeitsprogramme für Arbeitslose und Asylanten zum Wohle der Gemeinschaft fort um bei Gesundheitsprogrammen für Übergewichtige und Raucher zu enden. Seine Mittel sind Zuckerbrot und Peitsche, soziale Konditionierung, Aufnahme in die Herde oder Isolation. 

Was Steiner frustriert, ist, dass seine Besserungsmaßnahmen nicht verinnerlicht werden, sondern nur mittels äußerem Druck funktionieren. „Von meiner Vision des Homo oeconomicus mit sozialem Gewissen sind wir weiterhin meilenweit entfernt“, klagt er. Also geht er den nächsten Schritt: zu DARWIN, einem Programm, wie man es in der Realität bereits aus China kennt. Brave Bürger werden belohnt, Big Brother überwacht alle Lebensfelder. In Steiners Darwin-Variante überleben allerdings nicht die Stärksten, sondern die am besten Angepassten.

Was Astrid Schilchers Buch so eindrücklich macht, ist der Gewissenskonflikt, der den Leser durchwegs begleitet. Florian Steiner ist kein schlechter Mensch, er will für möglichst viele das Beste: Gesundheit, Bildung, Aufklärung, Wohlstand. Er will die EU retten, die Demokratie stärken, die Fremdenfeindlichkeit abbauen. „Das größte Glück für die größte Zahl“ – der Leitspruch des englischen Utilitaristen Jeremy Bentham ist sein Credo. Die Realität beschreibt hingegen ein anderer englischer Spruch: „Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.“

Die Autorin Astrid Schilcher lebt in Graz und ist Expertin für PR, was man dem ungewöhnlich aufgebauten Buch mit seinen unterschiedlichen Erzählstimmen und Testimonials von persönlich Betroffenen anmerkt. Ihr erster Roman „Mitgefühl für den Teufel“ erschien 2018. Schon dieser Titel zeigte Schilchers Hang zu vielschichtigen Charakteren.


Astrid Schilcher: Der Alpendiktator und Menschenfreund, acabus Verlag, 180 Seiten, 13,40 Euro


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