Gastkommentar

Covid-19 und das Klima, zwei Verbündete

Aktivisten demonstrieren am Freitag in Zürich gegen den Klimawandel. Die Schuhe ohne Träger sollen all die Klimaaktivisten darstellen die aufgrund der Coronabeschränkungen nicht persönlich anwesend sein dürfen, um zu demonstrieren.
Aktivisten demonstrieren am Freitag in Zürich gegen den Klimawandel. Die Schuhe ohne Träger sollen all die Klimaaktivisten darstellen die aufgrund der Coronabeschränkungen nicht persönlich anwesend sein dürfen, um zu demonstrieren.REUTERS/ARND WIEGMANN
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Wir haben uns an radikale Maßnahmen gewöhnt. Covid-19 könnte uns jetzt dazu veranlassen, unsere Gewohnheiten so zu überdenken, dass dies einen Langzeitbeitrag zum Klimaschutz leisten kann.

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Seit gut sechs Wochen leben wir in einer Ausnahmesituation. Mittlerweile haben wir uns mit unserem eigenen Verhalten auseinandergesetzt und der damit verbundenen Wirkung auf die Gesamtheit, auf das System. Wir haben die Einladung, einige persönliche Opfer zu bringen, die dem großen Ganzen dienen, angenommen. Dr. Otto Scharmer, Forscher am MIT in Boston hat dies kürzlich als einen „Shift vom Ego zu Eco" bezeichnet.

Wir haben uns an radikale Maßnahmen gewöhnt. Für viele von uns ein enormer Kontrast zum aktuell so schönen Frühlingswetter und der aufblühenden Natur. Die Erkenntnis, dass wir fähig sind, uns an neue Lebensumstände anpassen gibt allerdings Hoffnung. 

Das Coronavirus hat in den vergangenen Wochen geschafft, was allen Klimagipfeln der vergangenen Jahre nicht gelungen ist. Der Einblick in eine kohlenstoffarme Zukunft ist Realität. Ein temporärer Abfall von Emissionen ist aber keine Dauerlösung und kann die drastisch voranschreitende Erderwärmung nicht aufhalten. Das wissen wir. Was weniger bekannt ist: im Februar 2020 wurde auf der Forschungsstation Esperanza in der Antarktis ein Temperaturrekord von 18,3 Grad Celsius gemessen. Zu warm ist es aber nicht nur in der Antarktis, sondern auch hier in der Schweiz, wo ich wohne. Genauso wie in meinem Heimatland Österreich. In mehreren Schweizer Kantonen ist es im Moment verboten ein Feuer im Freien zu machen. Aufgrund des trockenen Wetters ist die Waldbrandgefahr groß. Wenig Regen und hohe Temperaturen im Frühling erlebten wir schon vor zwei Jahren. Wir erinnern uns noch an die Folgen: ein äußerst trockener Sommer, der die Wasserwirtschaft und Landwirtschaft in ganz Europa enorm strapazierte.

Christine ter Braak-Forstinger.
Christine ter Braak-Forstinger.Beigestellt

Zur Autorin

Dr. Christin ter Braak-Forstinger, LL.M. ist Österreicherin und arbeitet seit vielen Jahren im Impact Investing Sektor in Zürich. Sie ist Gründerin von Chi Impact Capital in Zürich und Autorin des Buches Conscious Investing. 

Wo besteht der Zusammenhang zwischen Klima und Corona? Der Österreicher Prof. Gernot Wagner von der New York Universität twitterte kürzlich, dass das Virus „Klimawandel mit Warpgeschwindigkeit“, also mit Überlichtgeschwindigkeit sei.

Covid-19 könnte uns jedenfalls dazu veranlassen, unsere Gewohnheiten so zu überdenken, dass dies einen Langzeitbeitrag zum Klimaschutz leisten kann. Wollen wir zum Beispiel nach der Krise wieder alle unsere Meetings persönlich durchführen? Aus heutiger Sicht ist das eher unwahrscheinlich.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass Luftverschmutzung eine nachweisliche Ursache für Krankheit und vorzeitige Todesfälle ist. Sie macht Menschen anfälliger gegenüber Atemwegserkrankungen. In China hat man vor einiger Zeit festgestellt, dass bei Patienten aus Regionen mit hoher Luftverschmutzung die Wahrscheinlichkeit an SARS zu sterben zweimal so häufig ist, als bei Patienten aus Regionen mit sauberer Luft. Prof. Katharine Hayhoe von der Texas Tech University hat diesbezüglich kürzlich betont, dass der Klimawandel ein „Bedrohungsmulitplikator" ist.

Stärkere Lokalisierung unserer Wirtschaft

In kürzester Zeit hat das Coronavirus die globalen Lieferketten unterbrochen und uns gezeigt, wie eng verwoben unsere globale Wirtschaft ist. Dieser Welleneffekt macht gleichzeitig unsere gemeinsame Verantwortung für Emissionen deutlich. Chinesische Fabriken versorgen im großen Stil westliche Unternehmen und Konsumenten. Die Zukunft ruft nach einer stärkeren Lokalisierung unserer Wirtschaft. Zu mehr lokal und regional hergestellten Gütern und zu resilienten, nachhaltigen und transparenten Liefer- und Wertschöpfungsketten.

Die Wall Street hat die größten Verluste innerhalb kürzester Zeit verzeichnet und man kann sich fragen: Ist das das Ende des Kapitalismus in seiner aktuellen Form? Profitmaximierung auf Kosten der Umwelt oder der Gesellschaft scheint wie Schnee von gestern. Zwischen Klima und Corona ist es schwer vorstellbar, wie Investoren zu ihren alten Wegen zurückkehren.

Radikale Neuausrichtung

Neue innovative, bewusste Unternehmen mit integrierten Geschäftsmodellen und systemischen Lösungen für die Zukunft, die auch einen langfristigen Mehrwert für die Umwelt oder Gesellschaft bieten werden die begehrten Investitionsobjekte sein. Für bestehende, traditionelle Unternehmen bedeutet dies eine radikale Neuausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit um attraktiv und risikoresistent zu bleiben.

So hat beispielsweise die junge Schweizer Online-Plattform Farmy für frische und lokale Lebensmittel in den letzten Wochen ein 430-prozentiges Umsatzwachstum verzeichnet und ihr Jahresziel bereits im März 2020 bei Weitem übertroffen.

Wenig verwunderlich hat das Impact Investing, also das Investieren mit der Absicht neben einem finanziellen Ertrag gleichzeitig auch eine positive Wirkung für die Gesellschaft und/oder die Umwelt zu erzielen, in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet. Begünstigt es doch Mehrere neben dem Investor.

Post-Covid-19 ist davon auszugehen, dass jeder einzelne von uns bewusster im Umgang mit seinen Kauf- und Investestitionsentscheidungen wird.

Die Harvard Business School arbeitet aktuell an einem „Impact weighted accounts"-Projekt bei dem es um die Erweiterung der Information im Jahresabschluss von Unternehmen geht. Künftig sollen auch Posten einfließen, welche die positiven oder negativen Auswirkungen eines Unternehmens auf Mitarbeiter, Kunden, Umwelt, Umwelt oder die breitere Gesellschaft widerspiegeln.

Chance für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit

Mit Blick auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen sowie den globalen Wettbewerb, ist eine Transformation essenziell. Sie bietet die Chance für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit, für Innovation, Wachstum, Wohlstand, Sicherheit und Arbeitsplätze sowie gesellschaftliche Stabilität und eine intakte Umwelt. Zu diesem Schluss kommt auch der im März 2020 vorgelegte „Zwischenbericht der Deutschen Bundesregierung für die Bedeutung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft für die große Transformation".

Auch das Weltwirtschaftsforum in Davos bestätigte kürzlich, dass der Wiederaufbau nach Covid-19 durch die Linse des Klimas und der Resilienz geschehen sollte und dass die Politik den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beschleunigen sollte.

Die Coronakrise wird keine temporäre Disruption bleiben. Die wirtschaftlichen Folgen sind noch gar nicht abschätzbar und unzweifelhaft beinhaltet diese Zeit viele persönliche Tragödien. In der langen Frist wird uns diese Zeit aber mehr Bewusstsein schaffen für die Notwendigkeit einer neuen regenerativen Art des Wirtschaftens. Letztlich ist das worauf es uns allen ankommt das Gleiche: Gesundheit und Sicherheit unserer Familien. Genau das wird durch das Coronavirus bedroht. Beim Kimawandel ist das nichts anderes.

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