Otto und Charlotte Wächter mit den Kindern in Thumersbach, 1944.
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„Meine Pflicht, an meinem Vater Gutes zu finden“

In seinem neuen Buch, „The Ratline“, spürt der britische Jurist Philippe Sands dem österreichischen SS-Mann Otto Wächter nach, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs mithilfe der katholischen Kirche bis nach Rom gelangte. Sands – seine Mutter überlebte die Shoah – ist seit Jahren mit Wächters Sohn Horst in Kontakt. Und bekam Einblick in das Leben einer Familie oben in der Nazi-Hierarchie.

In den 1960er-Jahren besuchten mein Bruder und ich oft unsere Großeltern in Paris. Als Kinder war uns klar, dass die Vergangenheit schmerzhaft war und wir keine Fragen stellen sollten. Ihre Wohnung war ein Ort des Schweigens, heimgesucht von Geheimnissen. Ich begann mich ihnen erst wirklich zu stellen, als ich schon über 50 Jahre alt war. Auslöser war die Einladung zu einem Gastvortrag nach Lemberg (Lviv) in der Ukraine. „Sprechen Sie über Ihre Arbeit zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord“, hatte man mir geschrieben.

Ich fuhr nach Lemberg, und eins führte zum anderen. Ich fand das Haus, in dem 1904 mein Großvater Leon geboren worden war. Ich erfuhr über die schrecklichen Ereignisse, die hier geschehen waren, ausgelöst durch eine Rede von Hans Frank, dem Generalgouverneur des Nazi-besetzten Polen, an einem Augusttag 1942. Seine Worte löschten die Familie meines Großvaters und Hunderttausende andere Familien aus. Vier Jahre später wurde er im Hof des Nürnberger Justizpalasts wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehenkt. Ein Jahr nach meinem Besuch in Lemberg traf ich Franks Sohn Niklas, der seinen Vater verabscheut. Er machte mich mit Horst Arthur Wächter bekannt, dem Sohn von Otto Wächter, einem Österreicher, der Gouverneur von Krakau und später von Galizien mit Sitz in Lemberg war. Er wurde wegen Massenmords angeklagt, aber niemals gefangen. Er starb 1949 in Rom unter rätselhaften Umständen.

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